Treffen sich Digitalisierung und Gamification in einer Bar

2. Juni 2022

Gamification: »Du auch hier?«

Digitalisierung: »Ich bin so müde.«

Für alle, die sich in den letzten Jahren auch nur am Rande mit digitalen Technologien beschäftigt haben, besteht spätestens seit der Pandemie kein Mangel an Gelegenheiten, sich zu einem Vorgang zu äußern, in den weite Teile der Welt involviert sein sollen. Gemeint ist Digitalisierung. Was ist mit diesem Begriff gemeint, der so unterschiedliche Lebensbereiche wie Kultur, Bildung, oder auch Verwaltung berührt?

Ursprünglich bezeichnete Digitalisierung den Transfer von Inhalten von älteren analogen Medien in neuere digitale Formate. Im Verlauf des letzten Jahrzehnts hat der Begriff jedoch eine enorme Ausweitung erfahren, und meint nun nicht mehr nur die Übertragung von Medien, sondern die Transformation ganzer gesellschaftlicher Bereiche. »Analoge« Abläufe, Infrastrukturen und Prozesse sollen so verändert werden, dass sie »digital« werden, also von nun an möglichst unter Einbeziehung von vernetzten Computern stattfinden.

Warum? Zuweilen wird angeführt, dass Dinge »nach« der Digitalisierung effizienter, schneller, flexibler, partizipativer, spielerischer oder transparenter werden und insgesamt einfach besser laufen. In der Pandemie kam noch das reduzierte Infektionsrisiko dazu und die Möglichkeit, mit weniger Reisekosten (und den damit verbundenen Emissionen) verteilt auf der Welt zu interagieren.

Ich vermute aber, dass sich oftmals hinter dieser Vielfalt von (sich teilweise widersprechenden) Motivationen eigentlich eine andere, grundlegendere, Hoffnung verbirgt. Nämlich die Hoffnung, einer scheinbar unaufhaltsam auf uns zurollenden Transformation durch eine einzige, klar definierte Kraftanstrengung zu begegnen – bei der noch dazu alles beim Alten bleiben kann. Wenn wir nur diesen Schalter finden würden, mit dem wir die Digitalisierung in unserem Bereich aktivieren könnten, könnten wir das erhalten, was wir haben. Ich denke, wer von Digitalisierung spricht, äußert meist eine im Grunde konservative Weltsicht. Digitalisierung ist gerade keine »Innovation«, sondern die Hoffnung, dass uns Innovation verschont bleibt, wenn wir uns »korrekt« anpassen.

Als Game-Designer und Festivalmacher, der mit Spielen primär im Kunst- und Kulturbereich arbeitet, habe ich eine ähnliche Dynamik schon mal an anderer Stelle erlebt. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass anhand von Spielen oft Dinge verhandelt werden, die später noch einmal in allgemeinerer Form relevant werden.

So schwappte etwa zu Beginn der 2010er Jahre der Begriff »Gamification« aus den USA nach Deutschland. »Mach’ ein Spiel daraus« galt damals als innovative Lösung. Alles – vom Erste-Hilfe-Kurs bis zur Steuererklärung – sollte besser werden, wenn man nur Bonus-Punkte verdienen und von Level zu Level aufsteigen konnte.

Zwar wollte kein*e Spiele-Designer*in, der*die etwas auf sich hielt, etwas mit Gamification zu tun haben, und der Game-Designer und Spielforscher Ian Bogost hat mit seinem rant »Gamification is Bullshit« schon 2011 beschrieben, dass hinter Gamification oft pures Marketing steckt. Trotzdem fasste der Begriff auf deutschen Konferenzen und zuweilen sogar an Universitäten und im Kulturbetrieb Fuß.

Denn die Leute, die Gamification vertraten, interessierten sich trotz ihrer angeblichen Faszination für Games eigentlich nicht für Spielkultur. Vielmehr ging es um die oberflächliche Applikation von psychosozialen Techniken wie Belohnugssysteme und Wettbewerbslogiken, um existierende Prozesse zu optimieren. Die Hoffnung: Wenn sich dass, was wir ohnehin machen, wie ein Spiel anfühlen würde, müssten wir uns nicht mehr Fragen, ob das, was wir tun, das richtige ist.

Gamification und Digitalisierung gehen also von einem ähnlichen Unbehagen aus – dass wir nicht mehr zeitgemäß sind, und etwas tun müssen, um wieder aktuell zu erscheinen. Und dass wir dieses Problem lösen können, indem wir unsere als veraltet erlebte Logik in eine neue – die des Spiels, oder die des Digitalen – übersetzen können. Das Problem ist nur, das sowohl das Spiel, als auch digitale Technologie eigene Logiken, Traditionen, Zwänge und Erfahrungsmodi mitbringen, die sich einer solchen Übersetzung verweigern.

Was aber ist die Alternative? Wie soll es mit »der Kultur« weitergehen, wenn sie auf »Digitalisierung« verzichten würde? Und wie können wir hier von spielerischen Formen im Kulturbetrieb lernen, die – statt dem Versprechen von Gamification zu folgen – aus einem genuinen Interesse an Spiel entstehen?

Hier sind zumindest ein paar Vorschläge:

1. Kunst statt Technik. Den Einsatz von digitaler Technologie im Kulturbereich zu gestalten, ist keine technische, sondern eine künstlerisch-kreative Herausforderung.

2. Nicht einmal, sondern fortlaufend. Statt von einem einmaligen Digitalisieriungs-Vorgang auszugehen, sollten wir uns daran gewöhnen, dass sich digitale Technologien und die damit assoziierten Nutzungsgewohnheiten permanent verändern, und – genau wie nicht-digitale Verfahren, Techniken und Praktiken – fortlaufender Pflege, Befragung und Weiterentwicklung bedürfen. Die Arbeit mit digitaler Technologie ist ein langfristiges Vorhaben und eine fortlaufende, explorative Bewegung. Genau gleich verhält es sich mit spielerischen oder partizipativen Ansätzen und Kulturinstitutionen. Wir sollten aufhören davon auszugehen, dass man hier mit einmaligen Projekten etwas erreichen kann.

3. Kein Ersatz, sondern Addition. Wenn wir in der Kultur mit digitaler Technologie arbeiten wollen, sollten uns für das genuin »neue« an digitalen Technologien interessieren. Statt uns nur dafür zu interessieren, wie existierende Vorgänge digitalisiert werden können, sollten wir sensibel dafür werden, an welchen Stellen digitale Technologie spezifisch neue Erfahrungen hervorrufen und Möglichkeiten eröffnen kann – gerade auch jenseits von Bildschirmen. Die Einbeziehung von digitaler Technologie ist kein Ersatz, sondern eine Addition. Das heißt aber auch: Prozesse werden nicht einfacher, wenn man digitale Technik ins Spiel bringt.

4. Nichts ist automatisch inklusive. Wir sollten aufhören anzunehmen, dass der Einsatz von digitalen Mitteln automatische zu bestimmten Effekten führt. Weder digitale Technik noch spielerische Formate erklären sich «von selbst« und brauchen keine Vermittlung. Partizipation entsteht nicht automatisch, wenn eine Chat-Funktion im Live-Stream aktiviert wird. Stattdessen sollten wir uns fragen, was wir genau wollen, wenn wir von Digitalisierung sprechen. Geht es darum, etwas aus der Ferne mitzuverfolgen? Oder geht es um mehr Spiel, Interaktion oder Partizipation?

5. Den Wert von neuen, unbekannte Konstellationen erkennen. Statt von einer Übertragung von »analog« in »digital« auszugehen, sollten wir uns die Zeit nehmen, um auszuprobieren, was wir mit neuen Kombinationen aus verschiedenen »analogen« und »digitalen« Mitteln machen können. Wie sich neue Kombinationen aus alten und neuen Medien auswirken und anfühlen, lässt sich aber nicht vorhersehen. Wie auch? Genau wie bei der Entwicklung von neuen Spielen bedarf es eines experimentellen Vorgehens – mit Raum zum Scheitern, Mut zur Einbeziehung von Test-Nutzenden, Bereitschaft den Kurs zu wechseln und Offenheit für Überraschungen.

Schon klar, all diese Vorschläge sind nicht einfach umzusetzen. Aber ich persönlich freue mich schon darauf, wenn Digitalisierung nicht mehr in aller Munde ist, und wir sie gemeinsam mit Gamification in ihrer Bar einschlafen lassen können. Vielleicht können wir dann ja mit der eigentlichen Arbeit beginnen.


Dieser Text basiert auf einem Impuls-Beitrag für die AG »Das (digitale) Publikum« – beim Bundesforum des Bündnisses für Freie Darstellende Künste, im September 2021.

Sebastian Quack arbeitet als Künstler, Game-Designer und Kurator an der Schnittstelle von Spiel, Partizipation und urbaner Politik. Er ist Direktor des Now Play This Festival für experimentelles Game-Design am Somerset House in London, ist Gründungsmitglied des Netzwerks Invisible Playground, leitet Trust in Play, European School of Urban Game Design, und ist Mitbegründer von Drift Club, einer Plattform für zufällige musikalische Spaziergänge. Im Projekt Offene Welten entwickelt er gemeinsam mit Museen Tools für digital unterstützte Erfahrungen im Stadtraum. Regelmäßig unterrichtet er Kunst und Design und berät Organisationen, die spielerisch mit der Welt um sie herum in Kontakt kommen wollen. Quack lebt und arbeitet in Berlin.

Transition: Etablierung einer nachhaltigen Transformationskultur durch Kollaboration

14. März 2022

Die Krisen der Gegenwart haben die strukturellen und inhaltlichen Defizite des Kultursektors bei der Bearbeitung der großen Transformationsbewegungen schonungslos offengelegt. Es wird immer spürbarer, dass Kulturinstitutionen zwar über ein enormes gesellschaftliches Innovationspotenzial verfügen, dieses aber kaum genutzt wird, da sich ihre Strukturen als erstaunlich wenig anpassungsfähig an komplexe gesellschaftliche Veränderungen erweisen. Kultureinrichtungen scheinen häufig willens, aber schlicht nicht fähig, in angemessener Form und Geschwindigkeit auf Herausforderungen zu reagieren, geschweige denn selbst zu Treiberinnen für Innovationen zu werden, um zukunftsfähig wie anschlussfähig zu bleiben.

Mit Blick auf den Diskurs der #neueRelevanz müssen wir uns als Kulturbetriebe fragen lassen, warum Künstler*innen durch die Mittel der künstlerischen Praxis permanent laborhaft agieren und die Suche nach Neuem ihr Handeln bestimmt, wohingegen der kulturelle Überbau – die Verwaltung und Ermöglichung der kreativen Arbeit – in Strukturen beharrt und nicht in der Lage ist, diese wertvolle Ressource für sich zu nutzen.

Die mutige und entschlossene Erneuerung interner Strukturen hin zu kollaborativen und ko-produzierenden Organisations- und Arbeitsformen ist aus unserer Sicht die notwendige Voraussetzung, Potenziale auf allen Seiten zu aktivieren und einen relevanten gesellschaftlichen Beitrag zu einer ernst gemeinten Kultur der Nachhaltigkeit und einem starken öffentlichen Gemeinwesen zu leisten.

Insbesondere eine kommunale Kulturverwaltung wie das Kulturforum Witten AöR verfügt in der Fläche über ein besonderes Potenzial: Sie ist Trägerin von öffentlichen Kultureinrichtungen wie dem Märkischen Museum, dem Stadtarchiv, der Bibliothek und der Musikschule, zugleich Organisatorin von multiplen Schnittstellenposition zwischen Kulturschaffenden, regionalen Institutionen und stadtgesellschaftlichen und -politischen Akteur*innen – gebündelt in der Funktion eines Kulturbüros – und Betreiberin der vielfältig bespielten Veranstaltungsstätten Saalbau und Haus Witten, die zunehmend für bürgerschaftliche Initiativen und lokale Künstler*innen geöffnet werden. An vielen Stellen gleichzeitig können hier Ökosysteme vitalisiert werden, die gesellschaftliche Innovation hervorbringen und damit flächendeckend einen Beitrag in Sachen Nachhaltigkeit, Digitalität und Diversität leisten.

An dieser Stelle möchten wir eine Zwischenbilanz insbesondere der Arbeitsfelder Nachhaltigkeit und Digitalität, der »Twin Transition«[1], die seit gut einem Jahr innerhalb unseres Betriebs als Querschnittsaufgaben bearbeitet werden, ziehen. Welchen Beitrag zum allgemeinen Diskurs der Relevanz von Kultureinrichtungen können wir anbieten?

Das »Wittener Modell«: Über Möglichkeitsräume gemeinsam Zukunftsfähigkeit (er)lernen

In Witten erproben wir seit 2019 wie Kollaboration als Organisationsform uns dabei helfen kann, innovationsfördernde Strukturen zu etablieren. Angelehnt an Mark Terkessidis’ Verständnis verstehen wir Kollaboration als eine breite Anschlussfähigkeit hinsichtlich einer sich permanent ändernden Umwelt.[2] Diese Anschlussfähigkeit gilt es als eigenständige Routine zu internalisieren. Als Handlungslogik ermöglicht Kollaboration neue Akteurskonstellationen und die Erschließung neuer Wissensbestände. Im Gegensatz zur Kooperation, die weiterhin auf Basis bestehender Routinen und Rollen funktioniert, können so völlig neue Handlungskontexte und Produktionslogiken entstehen. Sie befähigen uns, mit Blick auf Pluralität und Komplexität der VUKA-Welt[3] agil und responsiv gesellschaftliche Herausforderungen und Problemlagen zu adressieren und als transformative Kraft aktiv eine gemeinwohlorientierte Gesellschaft mitzugestalten.

Zukunftsfähigkeit evoziert den Gedanken »von vorne« zu denken. Weg von bestehenden Systemlogiken und Pfadabhängigkeiten hin zu Potenzialen und Möglichkeitsräumen. Die Kulturwissenschaftlerin und Nachhaltigkeitsforscherin Hildegard Kurt bezeichnet das als die Fähigkeit »von vorne auf das Jetzt zu blicken« und damit wieder zu lernen, die Zukunft zu gestalten.[4] Dies erfordert allerdings einen »system reset« und wir als Kulturorganisationen müssen uns fragen, wie wir mit Blick auf die beschriebenen Herausforderungen unser System Kultur von der Zukunft her im Jetzt gestalten wollen und welchen aktiven Beitrag wir für die Gesellschaft leisten. Gerade weil Kultur ihre Kraft insbesondere vor Ort entfaltet, wird die große Frage insbesondere kommunal geprägter Strukturen sein, wie wir die Kulturakteur*innen in der Fläche befähigen von der Zukunft her zu denken und sowohl ihre Arbeit als auch ihre Organisationen dahingehend auszurichten.

Veränderung im organisationalen Handeln am Beispiel des Kultursommers

Kollaborative Arbeitskontexte ermöglichen dabei den Mitarbeiter*innen im Betrieb projektbasiert abseits der bestehenden Routinen, Hierarchien und Pfadabhängigkeiten ihre Expertisen und Leidenschaften in offenen Denkprozessen einzubringen und so neue Herangehensweisen und Denkmuster zu erproben. Diese experimentellen Suchbewegungen im Sinne eines Open-Innovation-Ansatzes erlauben Innovation im Kleinen. Entscheidende Gelingensbedingung ist hierbei die Etablierung ambidextrischer Beibootstrukturen[5]. Konkrete Erfahrungen konnten wir im Frühjahr und Sommer 2021 sammeln. Mithilfe einer szenografischen Intervention auf dem Saalbau-Vorplatz (»Saalbau_Neubau«) haben wir einen Ort geschaffen, der so vieles gleichzeitig sein konnte: Verweilort, Multifunktionsspielfläche und Plattform für Bürger*innen, die als Mitdenkende, Experimentierende und Beratende ernst genommen wurden. Der Saalbau wurde so mit beschränkten Mitteln temporär zu einem Gemeinschaftsort – ganz im Sinne der »urban commons« – der nun die langfristige und nachhaltige Transformation des Ortes erst möglich machte.

Im Verlauf des Kultursommers entstanden Pop-up-Ausstellungen in offenen Containern mit Schulklassen, Präsentationen des Stadtarchivs und des Kulturbüros bis hin zu Workshops mit Kindern und Jugendlichen, Urbane Produktionen, theaterpädaogische Formate und Tangotanz. In nur vier Wochen wurde mit dem Kultursommer Witten von und mit rund 150 Akteur*innen ein Open-Air-Festival geplant und umgesetzt, dass Bewohner*innen eine analoge Form der Teilhabe ermöglichte und gleichzeitig Künstler*innen endlich die Möglichkeit gab, ihre Leidenschaft wieder analog zu präsentieren.

Im Sommer 2021 konnten wir (endlich) Geschwindigkeit aufnehmen und zugleich der Selbstbehauptung Taten folgen lassen. Diese nun für alle sichtbaren Ergebnisse – im Sinne eines Prototypings – sind für uns das entscheidende Argument, die Kultur (und mit ihr das künstlerische Denken, die künstlerische Methode) als wichtige Nachhaltigkeitsdimension ernst zu nehmen. Als konkrete Maßnahme, die aus dem Team heraus entwickelt wurde, diente das Labor »Kultursommer« und die damit verbundene Öffnung, den Vorplatz als Ort inklusiver zu denken – nicht zuletzt unter dem Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit – und half dabei, uns vom konkreten Beispiel aus von außen nach »innen« vorzuarbeiten.

Möglichkeitsraum 1: Digitallabor als Ort der Verhandlung von Digitalität

Möglich geworden durch eine beträchtliche Anschubfinanzierung zweier Förderungen (Beisheim Stiftung[6] und Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen) entstand im Herbst 2021 im Innern des Saalbaus ein Digitallabor mit integriertem Content-Studio. Die zunächst dringend benötigten technischen Anschaffungen wurden von vornherein nach nachhaltigen Kriterien modular geplant und beschafft und stehen künftig zur selbständigen Nutzung und möglichst betreuungsarm den Mitarbeitenden ebenso wie Ko-Produzierenden (der Stadtgesellschaft, der freien Szene etc.) zur Verfügung. Flankiert wird die Einrichtung von einem umfangreichen Capacity Building für alle Beteiligten, gesteuert und moderiert durch die Personalstelle für Digitale Transformation.

Das Digitallabor ist konkreter Ort des Lernens und Produzierens sowie zugleich Möglichkeitsraum – konzipiert als modular nutzbares Studio für Kulturakteur*innen in Zeiten der Digitalität. Ob für Kunst-Podcasts, den nächsten Livestream bei Twitch oder ein VR-Projekt im Stadtraum: mit Methoden der Kollaboration und Ko-Produktion entsteht hier erste neue Formatierungen für die Region und ihre Communities.

Unsere Mission trägt: Derzeit planen und entwickeln wir, möglich geworden durch das Förderprojekt »dive in« der Kulturstiftung des Bundes, unsere erste Spielzeit der zukünftigen Digitalen Sparte des Saalbaus. »Der Raum zwischen 0 und 1« lautet ihr Arbeitstitel und er ist sprechend: Kleinere und größere Hybridformate, die die Möglichkeiten und Visionen des Digitalen mit dem Potenzial des analogen Ortes unter künstlerischen Vorzeiten zusammenbringen, werden Wirklichkeit. Die Anpassungsfähigkeit an ihr Publikum und die permanente Wandlungsfähigkeit ist ihnen durch die Wahl der künstlerischen Mittel, den digitalen Medien, immanent.

Relevante Indikatoren für die Wirksamkeitsmessung des Digitallabors:

  • Investive Förderungen WLAN-Infrastruktur und digitale Ertüchtigung / Inklusion
  • Initiale Projektförderungen für stationäres und mobiles technisches Equipment Digitallabor und digitale Programmierung
  • Ergänzende Projektförderung für einführendes Capacity Building (10 Workshops für ca. 50 feste und freie Mitarbeitende) als Prototyp für ein fortlaufendes Learning & Development Programm
  • nachhaltige Qualifizierung von technischem Personal sowie Einrichtung und Besetzung einer neuen Ausbildungsstelle IT Systemadministrator (gemeinsam mit Stadt Witten)
  • Prototyping von 4 hybriden Formaten mit dem Ziel der Realisierung von insgesamt 32 einzelnen Veranstaltungen und Entwicklung von ca. 10 ko-produzierten Projekten
  • Inbetriebnahme eines »Studio to go« zur Nutzung durch die einzelnen Institute für Zwecke der kulturellen/digitalen Bildung
  • Betriebskonzept für die interne Nutzung und perspektivisch Öffnung für kollaborative Projekte und (teil-)kommerzielle Nutzung in Ergänzung zum Vermietgeschäft.

Möglichkeitsraum 2: Saalbau als Ort der sozial-ökologischen Transformation

Die sozial-ökologische Nachhaltigkeit braucht hingegen ein anderes Narrativ als die allgegenwärtige Projektlogik, die auch vor der digitalen Programmatik nicht Halt macht. Hier muss es gleichermaßen um eine strukturelle Verankerungung von Wissen und Prozessen in allen Instituten des Kulturforums gehen. Das Ziel muss sein, nachhaltiges Handeln in allen Instituten zum »neuen Normal« werden zu lassen und unsere internen wie externen Innovationspotenziale zu aktivieren.

Der beschriebene kollaborative Ansatz erlaubt genau das – den Aufbau resilienter Strukturen, die stabil, aber nicht statisch sind und es so allen Mitarbeiter*innen erlauben in ihrem eigenen Entscheidungsspielraum ökologisch nachhaltig zu agieren. Ganz im Sinne der Transformation muss die Umstellung auf einen ökologischen Betrieb als fundamentaler und vor allem dauerhafter Wandel verstanden werden und nicht als ein Projekt, dass für die nächsten ein bis fünf Jahre auf der Agenda steht und dann wieder verschwindet.

Rekurrierend auf das bereits erlernte Handlungswissen durch die digitale Transformation, die sich schon jetzt von Experiment und Protoyping in eine Phase der Verstetigung verschiebt, gehen wir auch die Querschnittsaufgabe Nachhaltigkeit kollaborativ an und wollen methodisch von den Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre profitieren.

Für die Umsetzung eines solchen Vorhabens braucht es einen gleichzeitig strukturierten sowie iterativen Prozess, der die gegebenen finanziellen und personellen Ressourcen berücksichtigt und gesamtheitlich rahmt.

Innerhalb dieses fortlaufenden strategischen Prozesses haben wir uns daher mit Blick auf eine breite Anschlussfähigkeit schon frühzeitig dazu entschieden, das Kulturforum nach der »obersten« Rahmung der Sustainable Development Goals (SDGs) der UN Charta 2030 auszurichten. Die Nachhaltigkeitsziele »hochwertige Bildung« (UN SDG 4), »nachhaltige Städte und Gemeinden« (UN SDG 11) und »Maßnahmen zum Klimaschutz« (UN DSG 13) bieten aus unserer Sicht den nötigen Freiraum und sind gleichzeitig konkret genug, als dass jede*r Mitarbeiter*in sie in das eigene Tun integrieren kann. Mit den Mitteln des Capacity Buildings wollen wir diese Transformation im ganzen Betrieb verankern und umsetzen.

Entscheidend für diese Umstrukturierung ist die Erhebung und das Verständnis von Daten, die im ersten Schritt den Status des Kulturforums in Bezug auf z.B. den Ausstoß von CO2 ermitteln. Diesen Weg sind wir schon im letzten Jahr gegangen und nehmen an dem Pilotprojekt des Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit teil, in dem die Klimabilanzierung speziell für Kulturbetriebe erprobt wird[7]. Es geht sowohl um die Umsetzung von kleinen Maßnahmen, wie der Einführung einer Gelben Tonne zur sachgerechten Mülltrennung, als auch den Wunsch einer energetischen Sanierung aller Gebäude des Kulturforums.

Einmal angeregt entstehen weitere Visionen, die die ökologische mit der kulturellen Perspektive der Nachhaltigkeit verschränken: Vom klimaresilienten Beet zum Stadtwald mit Aufenthaltsqualität, von der einzelnen Künstler*innen-Residenz zu der Skizzierung eines nachhaltigen Ökodorfs aus Tiny Häusern.

Relevante Projekte in Bezug auf die sozial-ökologische Nachhaltigkeit:

  • naturnahe Gestaltung der Beete auf dem Vorplatz vom Saalbau
  • Umgestaltung des Foyers im Saalbau mit deutlich mehr Pflanzen (Raumklima) und Erschließung neuer Räume als Club mit bereits vorhandenen Materialien
  • Neueinrichtung/Ausstattung von Räumen nach nachhaltigen Kriterien, auch unter der Berücksichtigung ästhetischer wie funktionaler Voraussetzungen (Studioatmosphäre und Setting im Digitallabor: Akustikwand aus nachwachsenden Materialien, Möbel aus recyceltem Material)
  • Zusammenarbeit mit der Stadt Witten zum Ausbau der Grünflächen im Sinne der Grünen Infrastruktur durch Fördergelder zu erreichen
  • Formulierte Zukunftsprojekte: PV-Anlage, Regenwasser Managementsystem, LED Beleuchtung, Ökostrom
  • Nachhaltigkeitskriterien bei der Vergabe und Beschaffung berücksichtigen
  • Umweltmanagementsysteme (Ökoprofit, GWÖ, EMAS etc.).

Ende in Sicht?

Trotz erster sichtbarer Ergebnisse und eines erkennbaren Wandels müssen wir selbstkritisch festhalten, dass wir – wie so oft im Kultursektor –  in vielen Bereichen über die Behauptung noch nicht hinausgekommen sind und einen messbaren Impact schuldig bleiben: Hier müssen wir nun noch stärker in die Mühen der Ebene einsteigen. Existierende Routinen, eine hohe Arbeitsbelastung und in Teilen auch (personal-) rechtliche Rahmenbedingungen erschweren die Etablierung neuer Arbeits- und Handlungskontexte.  Zudem mangelt es uns trotz der bereits getroffenen Maßnahmen flächendeckend noch an erforderlichen Kompetenzen und Ressourcen, um unsere Transformationsanstrengungen wirksam zu katalysieren. Da der Handlungsspielraum der Stadt Witten als haushaltsschwache Kommune extrem beschränkt ist und die finanziellen Folgen der Pandemie ihr Übriges leisten werden, sind wir abhängig von Förderfolien, die uns eine Erneuerung unserer Infrastrukturen (baulich, inhaltlich und personell) ermöglichen.

Unsere konkreten Forderungen:

  • Förderkulissen auf die Erneuerung von Infrastrukturen ausrichten
  • Qualifizierung des Sektors über konkrete Personal- und Potenzialentwicklungsprogramme fördern
  • Transferstrukturen über Transformationsagent*innen in den Einrichtungen und übergreifenden Transferstellen aufbauen.

Autor*innen

Randi Günnemann, Alissa Krusch, Jasmin Vogel vom Kulturforum Witten. Das Kulturforum Witten, Anstalt des öffentlichen Rechts, ist 2006 aus dem damaligen Kulturamt der Stadt Witten hervorgegangen und steht dabei heute archätypisch für die kommunale kulturelle Infrastruktur einer Mittelstadt in einer zwar urbanen, aber doch strukturschwachen Region und kann als Blauspause für ein vollkommen neues Verständnis der kulturellen Daseinsvorsorge und der dahinterstehenden Organisationsstrukturen stehen. Mit unserem Ansatz überprüfen wir, daher, wie Kommunen in ihrer Daseinsvorsorge aus dem ressourcenintensiven Wachstumsnarrativ aussteigen und über eine Reorganisation der Verwaltungsstrukturen neue Wege sowie einen kulturellen und digitalen Wandel hin zu einer nachhaltigen Stadtgesellschaft beschreiten können.


[1] Die Europäische Kommission formuliert den Zusammenhang der Transformationsthemen z.B. als »Europe must leverage the potential of digital transformation, which is a key enabler for reaching the Green Deal objectives.«, Vgl. https://events.euractiv.com/event/info/the-twin-transition-how-can-green-growth-and-digital-transformation-go-hand-in-hand-to-drive-europes-recovery [Aufgerufen am 25.1.2022].

[2] Mark Terkessidis hält mit Blick auf Innovation fest: »Nicht der Wettbewerb zwischen Individuen oder Organisationen lässt Neues entstehen, sondern deren Offenheit und Anschlussfähigkeit«. (Mark Terkessidis Kollaboration, Berlin 2015, S. 119.).

[3] Anm.: VUCA ist ein Akronym und setzt sich aus Volatility (Volatilität), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) sowie Ambiguity (Ambiguität) zusammen. Nach Hoffmann »meint [VUCA] dabei die Unbeständigkeit und gleichzeitige Unberechenbarkeit des Organisationsumfeldes bei hoher Veränderungsgeschwindigkeit« (Erwin Hoffmann Systemisches Arbeiten für Kulturmanager: Praxis Kulturmanagement, Wiesbaden 2019: Springer Fachmedien Wiesbaden (essentials), doi: 10.1007/978-3-658-23733-2.S. 7).

[4] Vgl. Hildegard Kurt Von der Zukunft her gestalten. Eine kleine Reflexion in 3 Sequenzen, in: Kulturpolitische Gesellschaft (Hrsg): Zeit für Zukunft. Inspirationen für eine klimagerechte Kulturpolitik, Bonn 2020, S. 48f.

[5] Die Methode der organisationalen Ambidextrie befähigt die Organisation parallel zum Alltagsgeschäft mit neuen Arbeitsformen zu experimentieren. Grundvoraussetzung ist dabei eine Umverteilung und Priorisierung der jeweiligen alltäglichen Arbeitsaufgaben, um so die notwendigen Räume und Ressourcen zu schaffen. (Vgl. Henning Mohr und Diana Modaressi-Tehrani Museen der Zukunft. Trends und Herausforderungen eines innovationsorientierten Kulturmanagements, in: Henning Mohr und Diana Modarressi-Tehrani (Hrsg..): Museen der Zukunft. Trends und Herausforderungen eines innovationsorientierten Kulturmanagements. S. 18ff.

[6] Förderprogramm »kulturstark«: https://www.beisheim-stiftung.com/de/de/projekte/kulturstark [Aufgerufen am 25.1.2022].

[7] Weitere Informationen zum Netzwerk, u.a. https://aktionsnetzwerk-nachhaltigkeit.de/projekte/pilotprojekt-klimabilanzen-in-nrw/ [Aufgerufen am 06.03.2022].

Cross-Innovation, Interdisziplinäre Zusammenarbeit, Ko-Kreation – eine Einladung zur Vertiefung

14. Februar 2022

Wenn sich eines im Förderprogramm LINK der Stiftung Niedersachsen abgezeichnet hat, dann ist es die wachsende Notwendigkeit von interdisziplinärer Zusammenarbeit. Digitalität lässt tradierte Kultursparten und die Trennung zwischen Fachabteilungen zunehmend verschwimmen. Eine übergreifende Zusammenarbeit in neuen Teams und der Blick über den Tellerrand werden immer wichtiger.

Begonnen haben wir 2018 indem wir jede Kultursparte einzeln in den Fokus genommen und nach aktuellen Projekten und zukünftigen Möglichkeiten der Anwendung von Künstlicher Intelligenz geschaut haben. Als Testballon luden wir gezielt Informatiker*innen und Kulturschaffende mehrerer Sparten aus Hannover ein, die teils konträren Denk- und Arbeitsweisen kennenzulernen und gemeinsam Projektideen zu entwickeln. Die so angestoßenen Prozesse der Entwicklung einer gemeinsamen Sprache, der Bereitschaft, die eigene Komfortzone zu verlassen und sich auf ungewohnte und teils unbequeme Vorgehensweisen einzulassen, legten den Grundstein für die zwei langfristig erfolgreichen künstlerischen Pilotprojekte von Philipp Henkel, Florian Kluger, Farhad Ilaghi Hosseini und Patrick Glandorf, die im Oktober 2021 (pandemiebedingt verspätet) in der Galerie Bohai unter dem Titel »AKUSTISCHE KI – ZWEI HAPPENINGS« in Hannover vorgestellt wurden. Die Ergebnisse hätten nicht fachintern und ohne die interdisziplinären Impulse von außen erreicht werden können.

Innovation durch Kunst und Technologie

Bei der Betrachtung von Kultur-, Forschungseinrichtungen und Unternehmen fällt auf, dass es ein Spannungsverhältnis zwischen einer großen Mehrheit und einigen wenigen Leuchtturmprojekten wie dem europäischen Knowledge Innovation Center gibt, die ganz im Sinne von Cross-Innovation den Austausch und die interdisziplinäre Zusammenarbeit stärken. Die Erkenntnisse zum Nutzen dieser Formate sind also nicht neu, nur leider weder in Wirtschaft, Wissenschaft oder Kultur flächendeckend bekannt.

Im Perspektiv-Papier der Bundesregierung Kulturen im digitalen Wandel wird u.a. neben dem Thema Personalentwicklung für möglichst breit aufgestellte Teams auch das Thema Vernetzung durch Plattformen, Verbundstrukturen und Kompetenznetzwerke angesprochen. Das Impulspapier der DFG »Digitaler Wandel in den Wissenschaften« betont ebenfalls die Bedeutung des fachlichen und interdisziplinären Austauschs als »entscheidend für die Bewertung der Entwicklung, die Chancennutzung und die Bewältigung der Herausforderungen

Ähnliche Ziele verfolgt das europäische STARTS-Programm: »S+T+ARTS is a platform that aims to link technology and artistic practice more closely. It is implemented by European policy to promote innovations that also benefit the art world. It supports collaboration between artists, scientists, engineers and researchers to develop more creative, inclusive and sustainable technologies, and focuses on people and projects that help address the social, environmental and economic challenges with which the European continent is confronted.« Seit 2016 wurden so u.a. Künstler*innen-Stipendien in Technologie-Unternehmen und Forschungseinrichtungen finanziert und ein Austausch und eine Kollaboration ermöglicht.

Tradierte Vorgehensweise vs. Künstlerische Experimente

Das Denken und Arbeiten in Netzwerken und Teams ist also keine Modeerscheinung, sondern die erprobte Grundlage kreativen Schaffens, die die Entwicklung von Innovationen fördert. Es gibt eklatante Unterschiede zwischen naturwissenschaftlichen Lösungsfindungsprozessen im weitesten Sinne einerseits, die auf Wissen und Erfahrung basieren und eine logische Kombination feststehender Zutaten umfassen, und kreativen Schaffensprozessen andererseits, die durch Impulse von Außen angestoßen werden und häufig eine Abwendung oder zumindest eine Neuordnung von bisherigen Vorgehensweisen beinhalten. Künstlerische Forschung beispielsweise versucht alle Elemente des Prozesses zu hinterfragen und neue Lösungswege z.B. durch Experimente herbeizuführen.

In kreativen Branchen und in manchen Start-ups finden wir Beispiele für diese kreativen Schaffensprozesse: Hier werden durch ein ergebnisoffenes, experimentelles Vorgehen agile Strukturen etabliert: Zentral dafür ist ein freier strukturierter Arbeitsprozess, der auf branchenfremde Expert*innen und disziplinenübergreifende Kommunikation zurückgreift und Scheitern erlaubt.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die amerikanische Psychologin Alison Gopnik: Sie untersuchte 2016 kreative Lösungsfindungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. In ihrer Testreihe zeigte sich deutlich, dass Kinder eine Vielzahl von kreativen Lösungswegen versuchten, während Erwachsene sich auf pragmatische, einfache Lösungen konzentrierten. Gopnik schlussfolgert, dass wachsendes Vorwissen und sicherlich auch der emotionale Erwartungsdruck, schnell zu einer guten Lösung zu kommen, Erwachsene in ihrer Kreativität massiv einschränkt. Ohne Vorwissen und in einer stressfreien Umgebung könnten auch Erwachsene wieder lernen kreativ zu sein.

Über die eigene Branche hinaus

Jede Branche hat ihre gedanklichen Grundpfeiler. Strukturen, Umstände, Erwartungen, an denen einfach nicht gerüttelt wird. Branchenfremde haben den Vorteil, dass sie in diesem Sinne nicht vorgeprägt sind und scheinbar irrationale Vorschläge äußern können, die zu großartigen Ergebnissen führen können. Ihr Mangel an Fachwissen wird hier ein Bonus: Sie können scheinbar naive Fragen stellen und damit Prozesse kritisch beleuchten.

Ein frischer Blick ohne die berufsbedingten Scheuklappen ist für nahezu alle Aufgabenbereiche wertvoll. Um diese Entwicklungspotentiale auszuschöpfen, muss die Kommunikation mit Akteur*innen benachbarter Sparten und Branchen strukturiert angegangen werden: Es braucht die Bereitschaft, Fragen und Herausforderungen mit branchenfremden Personen zu teilen und dabei die eigene, fachliche Überlegenheit abzulegen. Darüber hinaus müssen Unternehmensvorstände, Kulturträger*innen und Förder*innen Experimente und deren Evaluierung ermöglichen – auch ein Scheitern ist eine produktive Erfahrung und birgt wertvolles Wissen, das systematisch analysiert und festgehalten werden soll. Ähnlich wie in der Natur die Biodiversität ein hohes Gut darstellt, benötigen Teams eine heterogene Zusammensetzung – was nicht bedeutet, dass die Zusammenarbeit immer harmonisch und konfliktfrei abläuft.

Wie lässt sich nun die Dynamik heterogener Teams nutzen?

  1. Durch die Begegnung auf Augenhöhe trotz fachlicher Unterschiede.
  2. Durch die Bereitschaft in die Entwicklung einer gemeinsamen Sprache und ein Teambuilding zu investieren.
  3. Durch die Bereitschaft, die eigene Komfortzone zu verlassen.
  4. Durch die Überzeugung, Spannungen im Team als Chance nutzen zu können.
  5. Indem der gemeinsame Rahmen (mögliche Ziele, Zeitumfang, Form der Zusammenarbeit, …) festgelegt wird.

Kreative Kollaborationen

Eine Vielzahl von Kreativitätstechniken orientiert sich an  künstlerischen Denk- und Arbeitsweisen von Künstler*innen um gezielt Emotionen, scheinbar spontane und willkürliche Impulse sowie Ideen zu fördern. Und es ist kein Zufall, dass diese Techniken immer populärer werden: Das Denken in tradierten Strukturen und die Orientierung an Vorwissen kann den riesigen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht mehr gerecht werden. Da wir im Kulturbereich ähnlich wie Wissenschaft und Wirtschaft auch abhängig von einer Weiterentwicklung unserer Inhalte, Strukturen, Zielgruppen sind, ist es an der Zeit, unsere Stärken zu kombinieren und einen intensiven und offenen Austausch als Basis für interdisziplinäre Kooperationen zu beginnen.

Die Erforschung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz (in der Kultur) zielt nicht primär auf den Ersatz von menschlichen Künstler*innen durch Technik, sondern fokussiert die Kollaboration als vielfältiges Werkzeug. Es geht um den LINK zwischen Mensch und Maschine, die Verbindung zwischen unterschiedlichen Kultursparten und scheinbar gegensätzlichen Branchen. Das Ziel ist die Bündelung von Netzwerkpotenzialen und dem gemeinsamen Lernen voneinander. Denn: Die Zukunft gehört nicht den Starken oder Mutigen – sondern den Kommunikativen.

Autorin

Foto: Katrin Ribbe

Dr. Tabea Golgath ist Referentin für Museen und Kunst und koordiniert seit 2018 das Förderprogramm LINK – KI und Kultur der Stiftung Niedersachsen. Sie promovierte zu nachhaltigen Vermittlungsmethoden in Geschichtsmuseen und führte seit 2007 kontinuierlich Lehraufträge am Historischen Seminar und dem Zentrum für Lehrerbildung der Leibniz Universität Hannover und am Seminar für Ur- und Frühgeschichte der Universität Basel durch. Sie engagiert sich für die Erschließung von KI-Anwendungen in der Kultur und die zukunfts- und nutzerorientierte Weiterentwicklung von Kultureinrichtungen durch Interdisziplinarität, Agilität und Digitalität.