#JETZT für eine transformative Zukunft

Anna Blaich
4. April 2024

Wege zu einer jungen Kulturpolitik, Nachhaltigkeit und der Ruf nach einem Generationenwechsel

Die Teilnahme an der Brüssel-Reise im Rahmen des #JETZT-Programms hat meine Perspektive auf Kulturpolitik nachhaltig geprägt und ich hatte die Gelegenheit, tief in die Diskussionen über die Zukunft der Kulturpolitik einzutauchen. Das Programm #JETZT, das sich ausdrücklich den kulturpolitischen Interessen junger Menschen widmet, wirft in meinen Augen nicht nur relevante Fragen auf, sondern schafft auch den Raum für einen dringend notwendigen Dialog.

Die Grundfrage, „Was bedeutet junge Kulturpolitik für mich?“, die die Reise nach Brüssel begleitet hat, ist der Ausgangspunkt für meine Reflexionen über die aktuellen Herausforderungen und Potenziale in diesem Bereich. Dabei habe ich für mich unterschiedliche Schlüsselthemen identifiziert, die eine Brücke zwischen den Bedürfnissen junger Menschen und der Kulturpolitik der Zukunft schlagen. Vorwegnehmen lässt sich bereits meine Erkenntnis, dass die Kulturpolitik der Zukunft nicht nur nachhaltig, sondern auch diskursiv sein muss.

Die zentralen Diskussionen mit den eingeladenen Expert*innen und die Gespräche mit den Teilnehmer*innen haben mir einen neuen Blick auf die Rolle der Kultur in Europa ermöglicht. Dazu zählt die einzigartige Gelegenheit, direkt mit politischen Vertreter*innen wie Sabine Verheyen (MEP, Vorsitzende Ausschuss Kultur und Bildung CDU/CSU) und Mitarbeiter*innen der Kommission wie Juliane Ott (Europäische Kommission, Generaldirektion Bildung, Jugend, Sport und Kultur (DG EAC)) sowie Akteur*innen und Verbänden aus verschiedenen Kultursparten zu interagieren. Diese vielfältigen Perspektiven verdeutlichten, dass eine zeitgemäße Kulturpolitik den Europäischen Grundgedanken in der Kultur stärker kommunizieren muss. Der Fokus sollte auf der Einheit in der Vielfalt der europäischen Kulturen, dem Austausch und Verständnis für unterschiedliche Kulturen sowie der Förderung von Völkerverständigung durch Kultur liegen.

Ein weiteres Schlüsselthema, das mich aus meinem eigenen Tätigkeit heraus besonders beschäftigt hat, war die Trennung zwischen kommerzieller und non-profit Kultur. Die Frage, warum diese Spaltung existiert und ob sie notwendig ist, trieb mich auch im Rahmen der Brüsseler Gespräche um. Diese Unterscheidung birgt in meinen Augen das Risiko eines Verteilungskampfes um Fördermittel innerhalb der Kultur und kann zu einer unnötigen Abwertung bestimmter Kulturformen führen. Eine moderne Kulturpolitik sollte diese Trennung überwinden und eine integrative Perspektive fördern. Daran schließt sich für mich an, den prozessualen Charakter von Kultur stärker in den Vordergrund zu stellen. Eine statische Kulturpolitik kann den aktuellen Transformationsgeschwindigkeiten nicht gerecht werden. Unsere Kultur und Kulturpolitik müssen sich als dynamischer Prozess begreifen und flexibel auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren. In einem Ausblick auf die langfristige Perspektive von Kultur kristallisiert sich für mich die Kraft von Kultur als Abbildung der Gesellschaft, als Mittel zur Verbindung von Menschen, als Motor für Innovation und Veränderung und als Schöpferin neuer Perspektiven und Möglichkeiten heraus. Eine inklusive Kulturpolitik sollte diese Potenziale erkennen und fördern, um eine resiliente und zukunftsgerichtete Gesellschaft zu gestalten. Eine Kulturpolitik, die diesen Charakter berücksichtigt, kann aktiv zur Gestaltung von gesellschaftlichen Realitäten beitragen.

Die Frage nach den Zugängen zur Kulturpolitik, die im Rahmen von #JETZT aufgeworfen wurde, führte zu einem weiteren Schwerpunkt meiner Überlegungen. Wie können wir sicherstellen, dass junge Stimmen nicht nur gehört, sondern auch aktiv in Entscheidungsprozesse einbezogen werden? Allein die Diskrepanz zwischen der Teilnehmer*innengruppe, überwiegend junge, weiblich gelesene Personen, und der vorherrschenden Struktur der Kulturpolitik, die oft als alt, männlich und weiß wahrgenommen wird, verdeutlicht für mich die Dringlichkeit, die Entscheidungsprozesse für eine diversere, intersektionale Kulturpolitik für junge Perspektiven zu öffnen. In meinen Augen wird deutlich, dass eine Transformation notwendig ist, um eine inklusive Beteiligung junger Menschen zu gewährleisten und dass Programme wie #JETZT, die gezielt auf die Interessen junger Menschen eingehen, den Raum für Vernetzung und Austausch mit erfahrenen Expert*innen schaffen, in dem Wissen und Erfahrungen geteilt werden können.

Meine Schlussfolgerung aus der Reise nach Brüssel: Es braucht #JETZT einen Wandel in der Kulturpolitik. Junge Perspektiven müssen aktiv in die Politik integriert werden, Nachhaltigkeit in allen Dimensionen muss einen zentralen Stellenwert einnehmen, und der Generationenwechsel muss nicht nur eingeleitet, sondern von allen beteiligten Kulturakteur*innen und -politiker*innen aktiv gestaltet und begleitet werden. Als Teil des Generationenwechsels und durch die Einbringung eigener Perspektiven und Haltungen sehe ich meinen Beitrag dazu, die Kulturpolitik diverser, dynamischer und zukunftsorientierter zu gestalten. #JETZT ist somit nicht nur ein Programm, sondern eine Bewegung hin zu einer Kulturpolitik, die die Potenziale der Kultur voll ausschöpft und einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft nimmt. Die Forderung nach einem #JETZT in der Kulturpolitik bedeutet für mich, nicht nur auf Veränderung zu warten, sondern aktiv dazu beizutragen.

Bild: Daniel Lukac

Anna Blaich, M.A.

hat Musikbusiness an der Popakademie Baden-Württemberg (Mannheim) und Kultur- und Medienmanagement an der Hochschule für Musik und Theater, Institut KMM (Hamburg) studiert. Nach verschiedenen Positionen in der Musikbranche war sie als Projektmanagerin Export bei der Initiative Musik u.a. für den deutschen Gemeinschaftsauftritt Germany @ SXSW 2018 (German Haus & German Pavilion) in Austin, Texas, sowie für die deutsche Beteiligung im Bereich Musikexport im Rahmen des EU-Programms „Music Moves Europe“ verantwortlich. Von 2018 bis 2022 war sie als Projektmanagerin in der Kulturellen Stadtentwicklung bei NEXT Mannheim tätig, wo sie Projekte im Bereich Cross Innovation entwickelt und als Projektleiterin die Nutzungskonzeption der Multihalle Mannheim betreut hat. Seit Mai 2022 ist sie im Fachbereich Arbeit und Soziales der Stadt Mannheim tätig und verantwortet dort nach den Sonderstrukturen für Geflüchtete aus der Ukraine die Ehrenamtskoordination in der offenen Altenhilfe. Außerdem ist sie zweite Vorsitzende der Bundesstiftung LiveKultur und Mitglied im Arbeitskreis Kulturraumschutz der LiveKomm, dazu ist sie Mitglied der Kulturpolitischen Gesellschaft und Lehrbeauftragte an der DHBW Mannheim und Popakademie Baden-Württemberg. In ihrer Promotion an der Universität Paderborn beschäftigt sie sich mit der Popmusik im Spannungsfeld aus Kultur, Wirtschaft und Politik.