Thesenpapier Berlinfahrt #JETZT! der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V.

Julia Gebhardt
4. April 2024

Die Thesen gründen sich auf Erkenntnisse, welche ich auf einer Bildungsreise der Kulturpolitischen Gesellschaft mit dem Programm #JETZT gewinnen konnte. Ziel dieser Reise war es, Antworten auf die Frage, was eine junge Kulturpolitik auszeichnet, zu finden.

In fünf verschiedenen Panels diskutierten wir aktuelle kulturpolitische Belange stets mit einem kritischen Blick auf Progressivität und Veränderung.

Ich möchte nun versuchen, mit fünf Thesen die Frage nach den Themen einer jungen Kulturpolitik zu beantworten, und ergründen, wo ihre dringlichen Handlungsspielräume liegen.

These 1:

Die Kulturpolitik des Bundes ist gefangen im verfassungsmäßigen Kompetenzrahmen von Bundestag und Bundesregierung. Daher kann eine Bundeskulturpolitik nur bedingt inhaltlich wirken. Die Stellschrauben einer jungen Kulturpolitik müssten demnach eine systematische Neubewertung der Kompetenzen von Bund, Land und Kommunen vornehmen und Ziele sowie finanzielle Ressourcen neu verhandeln.

These 2:

Eine wirkmächtige Stellschraube auf Bundesebene sind Kulturstiftungen. Im Rahmen der inhaltlichen Setzung beziehungsweise Zielwirkungen ihrer Förderprogramme können Kulturstiftungen die kulturelle Landschaft der Bundesrepublik mitgestalten. Ihre Förderprogramme können ästhetische Richtungen, Diskurse oder Strukturen öffnen und beflügeln.

Eine junge Kulturpolitik muss sich demnach kritisch mit Stiftungen und Förderprogrammen auseinandersetzen: Nach welchen Kriterien werden Programme erstellt und gefördert? Wer entscheidet über die Fördervergaben? Welche Hürden existieren in der Antragstellung und welche Projekte werden damit ausgeschlossen?

These 3:

Eine junge Kulturpolitik setzt sich für einen machtkritischen Diskurs in den Kultureinrichtungen und für den Schutz von Kulturarbeiter*innen ein. Kulturpolitische Akteure wie Politiker*innen und Fördergeber*innen sehen sich jedoch weniger in konkreter Verantwortung, notwendige strukturelle Veränderungen vorzunehmen. Eine junge Kulturpolitik bedeutet, bei allen Entscheidungen und politischen Initiativen kritisch auf Machtmissbrauch hinzuweisen. Ebenso obliegt einer jungen Kulturpolitik das Streben nach neuen Modellen von Leitung und Hierarchien.

These 4:

Öffentliche Mittel verhindern aufgrund bürokratischer Rahmenbedingungen Transformationsprozesse in Kultureinrichtungen. Dekonstruktive Ansätze können hier nicht wirken, sondern Veränderungen müssen von innen heraus geschaffen werden. Junge Kulturpolitik richtet den Blick in die Kultureinrichtungen hinein und bewertet sie weniger nach ihrer gesellschaftlichen Außenwirkung, sondern kritisiert und fokussiert interne Abläufe.

These 5:

Fragen der Nachhaltigkeit in Bezug auf Kultur und Künste sind Fragen nach der Resilienz von Kultureinrichtungen. Damit geht auch der Abschied von monodisziplinären Einrichtungen einher. Resiliente Kultureinrichtungen sind offen für gesellschaftliche Transformationen.

Julia Gebhardt

wurde 1998 in Magdeburg geboren. Ihr Studium Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis mit den Schwerpunkten Theater und Medien absolvierte sie 2021. Seitdem studiert sie im Master Inszenierung der Künste und der Medien (Theater). Vor ihrem Studium in Hildesheim konnte sie bereits Praxis-Erfahrung am Theater der Altmark in Stendal sammeln, wo sie als Regieassistentin arbeitete.

Durch ihr Studium beschäftig sich Julia Gebhardt mit Arbeitsbedingungen an öffentlich geförderten Theatern. Ihr Hauptaugenmerk liegt darin, die Stellschrauben zu erkennen und zu lösen, die in ein Abhängigkeitsverhältnis von Finanzierung und Arbeitsbedingungen und Machtstrukturen führen.

Seit 2019 engagiert sie sich politisch als Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen, für die sie seit 2021 im Hildesheimer Stadtrat sitzt und sich dort vor allem mit kommunaler Kulturpolitik auseinandersetzt.

Künstlerisch arbeitet sie als Mitglied des Kollektiv (AT) zu post-ostdeutschen Biografien und Theaterformen.