Lernen von TikTok

18. November 2024

Was Kulturhäuser auf Social Media gewinnen können

Was tun, wenn man das Gute retten will, und plötzlich ein Böser zur Hilfe eilt? In dieser seltsamen Lage befindet sich im Moment die Buchbranche. Seit vielen Jahren wird geklagt über die negativen Folgen der Digitalisierung – die Jugend kaufe keine Bücher mehr, lese kaum noch, könne sich nicht länger als fünf Sekunden konzentrieren. Und dann gibt es plötzlich eine sehr populäre digitale Plattform, auf der das Lesen von gedruckten Büchern euphorisch gefeiert wird. Menschen unter dreißig filmen sich mit zerlesenen Ausgaben von ihren Lieblingsromanen, berichten von ihren Lektüreerlebnissen, posieren vor liebevoll sortierten Bücherregalen. Unter dem Hashtag #booktok hat sich auf dieser Plattform die größte Lese-Community gebildet, die es jemals gab. Dass es sich bei dieser Plattform um TikTok handelt, erscheint wie eine böse Pointe – ausgerechnet eine chinesische App, von intransparenten Interessen angetrieben und eigentlich eher bekannt für leichten Content, hat eine Renaissance des Lesens sichtbar gemacht und teilweise ausgelöst.

Konnte man zu Anfang #booktok noch als Code für leichte Teenager-Romane betrachten, verbindet der Hashtag inzwischen viele Arten von Literatur miteinander. Das Franz-Kafka-Jahr 2024 wurde nicht zuletzt auf TikTok gefeiert. Die User*innen fanden bei Kafka Sätze, Bilder und Motive, zu denen sie sich dann selbst in Beziehung setzten. Ob aus Werk oder Leben war dabei zweitrangig, eine Briefstelle konnte genauso so zum Stoff werden wie ein Foto, eine Romanpassage oder eine allgemeine Vorstellung der Figur.

Längst hat sich diese von TikTok geprägte Kultur auf andere Plattformen ausgeweitet. Auf Instagram wurde der Kölner Antiquar Klaus Willbrand seit Ostern dieses Jahres zum Influencer, er ist 83 Jahre alt. In sympathisch spröden Clips gibt er Einblicke in die Literaturgeschichte, und erzählt von seinem Leben als Antiquar – derzeit mit 140 00 Followern. Verlage und Buchläden haben auf die Entwicklung reagiert. In vielen Filialen gibt es ganze Regale und Tische zum Stichwort #booktok.

In der restlichen Kulturwelt werden solche Phänomene meist skeptisch registriert. Kaum ein Museum oder Theater kann eine nennenswerte Reichweite oder eine lebendige Community vorweisen. Einen Klaus Willbrand der Kunstwelt gibt es nicht, egal ob auf TikTok oder anderswo. In der Regel werden die Plattformen genutzt, um Ausstellungen und Premieren anzukündigen, die Texte und Fotos erinnern noch immer an Pressemitteilungen. Von einem großen deutschen Opernhaus erfährt man, dass es 500 Menschen fest angestellt hat – eine halbe Stelle ist für Social Media vorgesehen.

Dahinter stecken nicht nur die berühmten »knappen finanziellen Ressourcen«. Auch wenn mittlerweile etwa Instagram eine wichtige Plattform für den Kunstbetrieb geworden ist, gehört es in großen Teilen der Kulturwelt immer noch zum guten Ton, sich abfällig über digitale Kommunikation zu äußern. Etablierte Kulturakteure sind normalerweise weit älter als dreißig, sie verbringen ihre Zeit nicht auf TikTok, haben sogar in vielen Fällen noch keinen persönlichen Kontakt mit dieser oder anderen Social-Media-Plattformen gehabt.

Während etablierte Kurator*innen, Dramaturg*innen und Direktor*innen dieses Mindset stoisch aufrechterhalten, erschließt sich eine neue Generation künstlerische Inhalte über TikTok, Instagram und YouTube und geht deswegen vielleicht seltener ins Museum oder ins Theater. Der Schaden, den die digitale Ignoranz vieler Häuser verursacht, hat auch eine politische Dimension: Kulturinstitutionen werden zur Zielscheibe von heftigen identitätspolitisch getriebenen Online-Debatten oder gar Shitstorms, und zeigen sich hilflos, seit dem 7. Oktober 2023 hat sich die Lage noch zugespitzt. In der Politik nehmen etablierte Parteien die digitalen Medien nicht ernst genug, derweil erzielt die AfD dort große Reichweiten.

Im Jahr 1962 stellte Jürgen Habermas in einer großen Untersuchung den »Strukturwandel der Öffentlichkeit« dar: Er beschrieb die Entstehung der heute schon teilweise historisch gewordenen »bürgerlichen Öffentlichkeit«, ihrer Massenmedien und der damit verbundenen Verkehrsformen [1]. Heute erleben wir erneut einen Strukturwandel: die Digitalisierung. Sie greift viel umfassender in unser Leben ein, als es den meisten bewusst ist; ihre besonderen neuen Bedingungen zu verkennen, kann für Kulturakteur*innen und öffentliche Institutionen gefährlich werden. Nicht Verächter des digitalen Gesprächs, sondern kompetent Teilnehmender zu sein, erscheint als Ziel für die Kulturinstitutionen unabdingbar.

Eine mangelnde Vertrautheit mit digitalen Medien ist dabei gar nicht das Problem. Auch im Kulturmilieu trifft man sich in WhatsApp- oder Signal-Gruppen und postet seine Gedanken und Eindrücke auf Instagram oder Facebook. Was die meisten daran hindert, ihre Inhalte mit Online-Communitys zu verbinden, ist eher eine Reihe von negativen Annahmen über das Digitale. In Ihnen verfestigt sich das Bild einer trivial gesagt »bösen« Welt, mit der man nur den allernötigsten Kontakt pflegen sollte. Drei besonders stark verbreitete Annahmen sollen hier angesprochen werden.

Erstens: Das Digitale ist eine Erweiterung des Bestehenden.

Die Idee, die Digitalisierung sei zur früheren Medienwelt quasi hinzugekommen, ist noch immer sehr verbreitet – gerade in der Kultur, wo die Institutionen so alt und traditionsreich sind. Doch spätestens mit den großen Social-Media-Plattformen, die sich um 2010 etabliert haben, hat sich aber der Umgang mit Medien und die Selbstverortung des Einzelnen im digitalen Raum grundlegend geändert. Als User*in ist der heutige Nutzende nicht mehr länger Konsument eines vorgefertigten Angebots, sondern immer auch Co-Produzent. Jede Reaktion verändert den Status und den Verknüpfungsgrad eines Postings – vom bloßen Anklicken über den Like bis zum Kommentar oder Repost.

Mediennutzer*innen sind keine passiven Rezipienten, sondern sie verändern mit ihren Interaktionen immer auch den Inhalt selbst – wie jemand der einen Raum voller Menschen betritt, und dort allein durch seine Anwesenheit Unterschiede produziert. Die Veränderung ist so grundlegend, dass sie das gesamte Weltverhältnis der Nutzenden betrifft und damit, weil wir alle Nutzende sind, die Gesellschaft als Ganzes. Hinzu kommt, dass die metrische Logik des Digitalen schon in der anlogen Welt existierte, und sich jetzt noch fundamentaler verbreitet hat. Metrische Logik heißt: Wir erfassen die Welt über Zahlen und Zahlenverhältnisse, nicht nur an Wahlabenden, auf dem Fußballplatz und beim Einkaufen. Weil uns an vielen Stellen, auch im Digitalen, die qualitative Maßstäbe zunehmend unklar sind, orientieren wir uns stattdessen an Reichweiten und anderen quantitativen Zuschreibungen. Ein Account mit vielen Followern kommt uns interessanter vor als einer mit wenigen. Und ohne dass wir es immer bemerken, verknüpfen wir qualitative Urteile damit. Das Digitale als Erweiterung zu betrachten, verkennt also die tiefgreifende Veränderung unserer Welt. Sie macht vor nichts Halt. Markus Müller spricht in seinem Nachruf auf den legendären Kurator und Museumsdirektor Kasper König vom »Ende der Zeitenwende von der analogen zur digitalen Welterfahrung«[2].

Zweitens: Das Digitale befördert Filterblasen und damit Abschottung.

Die Filterblasen-These gehört zu den liebsten Allgemeinplätzen intelligenter Menschen über die Social-Media-Plattformen. Sie beruht auf dem Gedanken, dass man früher plurale Medien hatte, in denen unterschiedliche Standpunkte diskutiert wurden, während sich heute Menschen in Filterblasen treffen, in denen alle die gleiche Meinung haben. In Wahrheit ist die digitale Kommunikation in vieler Hinsicht komplexer als der Austausch in der alten Medienwelt. Das Community-Building produziert feste und fluide Gemeinschaften, die man als Filterblasen bezeichnen kann, wenn man möchte – diese sind aber bei weitem nicht so homogen, wie man vielleicht annimmt. Das hängt mit der komplexen Struktur der Gesellschaft selbst zusammen. Wenn ein linksliberaler Angler in seiner Anglergruppe auf Facebook aus den Kommentarspalten erfährt, dass einige der Mitglieder Donald Trump gut finden, wird er entsetzt sein, und der Frieden in der Angler-Bubble ist gestört. Solche Zusammenstöße und Friktionen produzieren die Plattformen laufend, da jede Community Zugänge, Übergänge und offene Flanken hat, durch die sie mit anderen Kontexten in Berührung kommt. Der Soziologe Christian Stegbauer führt denn auch die Entstehung von Shitstorms auf das »Zusammenprallen von unterschiedlichen Kulturen«[3] im Internet zurück. Man könnte sogar sagen, dass der Reiz digitaler Kommunikation gerade darin besteht, dass sowohl Gleichgesinnte als auch Andersgesinnte in großer Menge zur Verfügung stehen, und man ständig pendelt zwischen Ingroup und Outgroup.

Drittens: Das Digitale frisst das Analoge.

Diese Annahme tritt häufig in dem Vorwurf zutage, jüngere Leute schauten ja »nur noch« auf ihr Handy. Das Aufs-Handy-Schauen bildet in dieser Aussage eine Leerstelle, als sei das Handy ein schwarzes Loch, in dem es keine Inhalte mehr geben könnte. Dabei findet dort alles statt: Medienkonsum, Kontakt mit Freunden, intimer Austausch, Speichern von Erinnerungen. Oft wird das Verhältnis von Digital und Analog in der Struktur des »Entweder-Oder« beschrieben: Entweder der junge Mensch schaut aufs Handy, oder er geht ins Museum. Dabei zeigt der Hashtag #booktok eindrucksvoll, wie unter der digitalen Prämisse auch analoge Erlebnisse wieder einen neuen Stellenwert bekommen. Der Saunabesuch, das Stöbern im Buchladen oder das Bergwandern werden von User*innen liebevoll inszeniert – nicht als Ersatz des Erlebnisses, sondern als Kommunikation darüber. Während man wandert, wird die Kommunikation darüber immer schon mitgedacht – das heißt aber nicht, dass das Wandern weniger intensiv empfunden wird, es ist nur viel stärker als früher Teil der Eigenrepräsentation und des Austauschs mit anderen. Dieser Akt wiederum wird häufig als reiner Akt der Selbstüberhöhung interpretiert – »alle machen nur noch Selfies« – während es in Wirklichkeit gerade darum geht, sich mitzuteilen, bei anderen Resonanz zu finden, und dann auch selbst Resonanz zu geben. Wer Social Media aufmerksam betrachtet, kann viel darüber lernen, wie Gruppenbildung und Gruppenstörungen bei Menschen funktionieren – und immer schon funktioniert haben.

Neben diesen drei Annahmen gibt es Einwände gegen Social-Media-Plattformen, die man kaum entkräften kann. Wenn viele Millionen Menschen ihre Daten einem chinesischen Konzern anvertrauen oder die Plattform X von Elon Musk benutzt wird, um die rechtspopulistische Agenda voranzubringen, sind Skepsis und Kritik, vielleicht auch Rückzug angebracht. Das sollte aber nicht zu bequemer Ignoranz der neuen technologischen und kulturellen Formen führen, die hier enstehen, und die nicht wieder verschwinden werden. Digitale Communitys wird es auch noch geben, wenn X und TikTok längst Geschichte sind. Das Beispiel #booktok könnte durchaus belebend auf andere Kultursparten wirken: Wer Kunst und Kultur produziert, dem sollte die Leidenschaft und die Hingabe der entsprechenden Communitys etwas wert sein – mehr jedenfalls als eine halbe Stelle.


[1] Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit, Frankfurt am Main 1962

[2] Markus Müller: Kasper König (1943 – 2024), in: Texte zur Kunst, https://www.textezurkunst.de/en/articles/markus_mueller_nachruf-kasper-koenig/

[3] Christian Stegbauer: Shitstorms. Der Zusammenprall digitaler Kulturen. Wiesbaden 2018, S. 23


Foto: Joshua Hoven

Foto: Joshua Hoven

Ralf Schlüter ist Kulturjournalist und Berater. Von 2006 bis 2020 war er Stellvertretender Chefredakteur des Kunstmagazins »Art«. Er produzierte den Podcast »Zeitgeister« und betreute das Handbuch der documenta fifteen in Kassel. Zusammen mit Karin Bjerregaard Schlüter gründete er 2022 die Agentur Kulturbotschaft. Von beiden ist aktuell das Buch »Krisenkommunikation für den Kulturbetrieb« erschienen.

Alternativen tanzen und üben (mit Computern)

23. Oktober 2024

Nicht nur die Klimaerwärmung, das Artensterben und die Veränderung der Meeresströmungen, sondern auch die ungleicher werdende Vermögensverteilung und die Rückkehr des Autoritarismus sind Symptome grundlegender Probleme. Diese entstehen durch Prinzipien und Ideologien wie die Notwendigkeit des privaten Eigentums (einschließlich des geistigen Eigentums) oder den Irrglauben, der freie Markt würde alles von selbst regeln.

Digitalität ist eine Zumutung
Für eine wünschenswerte Transformation ist die Rolle der Digitalität in den Blick zu nehmen, denn sie ist Teil des Problems. Digitalität wird von Regeln und Ereignissen bestimmt, die von uns gewöhnlichen Menschen nur bedingt transformiert werden können. Nachhaltigkeit setzt eine ständige Regenerierung von unten nach oben voraus. Um Treiber einer Kultur der Nachhaltigkeit zu werden, müsste Digitalität für alle Bevölkerungsschichten zugänglich und vor allem veränderbar gemacht werden. Wir begegnen Digitalität meist in Form einer Ware: käuflich und unveränderlich. Die Entsorgung und Zerstörung von Eigentum gehören zum Warencharakter. Jede Ware ist Eigentum, deshalb ist es auch oft erlaubt, die eigens gekaufte Ware zu zerstören oder einfach wegzuwerfen. Neuerdings gibt es in Europa ein Recht auf Reparatur, das vom europäischen Parlament verabschiedet wurde. Elektronische Geräte sollen wieder reparierbar werden. Das gibt ein wenig Hoffnung, doch es existieren weitere Baustellen, etwa im Softwarebereich. Ein Windows-Update führte am 19. Juli 2024 zu weitreichenden IT-Störungen bei Rechnern in Deutschland vor allem auf Flughäfen, in der öffentlichen Verwaltung und in Krankenhäusern. Solche IT-Katastrophen zeigen immer wieder, dass Dezentralisierung und Selbst-organisation einige Verbesserung bieten könnten.

Digitalität als Kulturtechnik?
Wie können wir eine nachhaltige Beziehung zur Digitalität aufbauen? Zuallererst sollten wir die Vorstellung aufgeben, dass Digitalität eine feste, abgeschlossene Form und eindeutige Bestimmung hat. Digitalität ist in, auf, über, unter, zwischen uns allen. Wenn Digitalität nicht einfach Digitalisierung meint, sondern nach Hilke Marit Berger »die Kulturtechnik, sich im Digitalen zu bewegen«, dann hätte dies zur Folge, dass wir dieses positive Verständnis ernst nehmen und überlegen müssen, wie Digitalität in das Bildungsprogramm in den Schulen aufgenommen werden könnte. Dies ruft bekannte Baustellen auf. Während Lesen, Schreiben, Rechnen und Zeichnen an Schulen gelehrt wird, müssten Formen des Digitalisierens (Fotografieren, Filmen) und Programmierens / Simulierens vermehrt und grundlegender in den Unterricht der Schulen aufgenommen werden. Kulturtechniken sind Tätigkeiten, die sehr nahe beim Technischen liegen und entsprechende Schnittstellen aufweisen. Sie zeichnen sich im Gegensatz zur Medientechnik dadurch aus, dass sie größtenteils und maßgeblich von Menschen mit Menschen kulturell erlernt werden. Ihre Ausgestaltung bleibt veränderlich und damit potenziell nachhaltig. Eingebaut in Medientechnologien wird eine spontane Anpassung schwieriger. Es ist die Ironie der unterlegenen Position des kulturellen Sektors, dass die Kulturtechnik Programmieren zunehmend in algorithmisch-automatischen Dienstleistungen großer Unternehmen transformiert wird. Denken wir dabei an ChatGPT oder OpenAI, wodurch Programmieren als kreatives Vermögen immer mehr in Medientechnik aufgeht. Dagegen muss vorgegangen werden.

Es gibt hier noch Hoffnung. Denn weil Digitalität in, auf, über, unter, zwischen uns allen ist, sind Zugänge zu ihr grundsätzlich nicht versperrt. Digitalität tendiert dazu, dezentrale Wirkungen zu entfalten, nur wird das immer wieder verhindert. Denken wir daran, wie wir heute mit audiovisuellen Daten (Filme, Musik, Computerspiele) umgehen müssen. Wir müssen dafür bezahlen. Sie wurden nach der Zeit der sogenannten Piraterie wieder zu Waren gemacht. Während man Daten und Ideen einfach kopieren konnte, wurde im Namen des geistigen Eigentums mit Hilfe von Kryptografie und juristischen Tricks Kopierschutzmechanismen eingebaut. Überall dort, wo Daten, Algorithmen, Soft- und Hardware jedoch offen und eben keine Waren sind, kein privates Eigentum darstellen und gleichzeitig durch entsprechende Lizenzen vor Raub geschützt sind – denken wir an die Creative Commons oder an freie Software – überall dort können wir ansetzen, um etwas zu verändern. Digitalität muss also frei sein, vor allem frei von Eigentum. Keine Silos!. Das haben viele bereits verstanden. Um aber ein gesamtgesellschaftliches Verständnis dafür zu gewinnen, müssen andere Mittel zum Einsatz kommen. Es sind treibende Visionen, Utopien und Modelle gefragt. Im kulturellen Sektor stellt sich selbstverständlich hier die Frage, wie ihr Betrieb aufrechterhalten werden kann, wenn es kein Eigentum mehr gäbe.

Tanzen als Kulturtechnik
Tanzen ist bemerkenswert, weil es nicht nur eine offen-adaptive Aktivität ist, sondern vor allem auch die Möglichkeit bietet, dass Prozesse zusammenspielen, auch solche, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Nicht nur Menschen tanzen, sondern auch Tiere. Selbst Blätter oder Staub können in Luft und Raum tanzen. Ein Tanz beruht auf Interaktionen mit anderen, aber auch mit sich selbst. Bewegungen müssen geübt und koordiniert werden, vor allem, wenn ein Tanz kultiviert werden soll. Das hat etwas Technisches, denken wir an filmische Bewegungsstudien, Choreografien, grafische Darstellungen oder körperlicher Bewegungen. Letztlich kann Tanzen als Kulturtechnik verstanden werden. Tanzen ist wie Musizieren ursprünglich keine Ware, außer in Form ihres passiven, bezahlten Genusses im Kulturbetrieb (Ballett, moderner Tanz, Tanztheater etc.), in digitalen Streamingdiensten, sozialen Medien (etwa TikTok), off- und online. Sicherlich lässt sich Tanzen als Aktivität auch kommodifizieren, etwa durch Tanzkurse, damit lassen sich aber keine großen Gewinne erzielen. Tanzen will eigentlich wie Information frei und kein Eigentum sein. Was passiert beim Tanzen? Während des Tanzens wird die Kopplung von Körper und Umwelt geübt. Ein erster Schritt zur Nachhaltigkeit ist das Umweltbewusstsein. Es geht also um räumliche Arbeit und die Auslotung der Grenzen zwischen Mensch, Raum und Umwelt. Gleichzeitig geht es beim Tanzen um eine betont zeitabhängige Form von Arbeit. Ereignisse müssen vorausgesehen werden, sonst gelingt der Tanz nicht. Tanzen stellt folglich das Einüben raumzeitlicher Transformationsprozesse und Vorstellungsweisen dar.

Digitalität tanzen!
Tanzen bietet eine hoffnungsvolle Perspektive auf Arbeit. Viele tanzen gerne, aber arbeiten ungern. Tanzen ist wie Arbeit, aber doch anders. Wieso? Die industrielle Transformation begann mit der Automatisierung etwa der Bewegungen am Webstuhl oder anderen körperlich-manuellen Produktionsarten. Mittlerweile können die meisten Körperbewegungen längst durch Maschinen ersetzt werden. Das heißt: Tanzen im Sinne von menschlich getätigter Arbeit wäre obsolet und wir könnten die Maschinen tanzen lassen, doch so einfach ist es nicht. Wie dem auch sei: Tanzen ist die hoffnungsvolle Rückseite der Arbeit! Tanzen ist alltagsnah und hat damit das Potenzial, eine Art Grundbewegung der für die Nachhaltigkeit nötigen ständigen Regenerierung von unten-nach-oben zu werden. Und nicht nur das: Wenn das Einüben raumzeitlicher Transformationsprozessen tanzend erfolgen kann, wie zum Beispiel Demonstrationen und Raves zeigen, dann könnte damit auch das größte Problem gesellschaftlicher Transformation angegangen werden, nämlich der Wechsel vom Kleinen ins Große. Im Kleinen sind Nachhaltigkeit, Solidarität, bedürfnisorientiertes Zusammenleben, gemeinschaftlich-genossenschaftliches Teilen, Organisieren und Produzieren von Ressourcen und einiges mehr schon möglich. Das Tanzen kann hier oft gut gelingen. Wir schaffen aber den Sprung aus diesem eher zwischenmenschlichen und miniökologischen Bereich in den gesamtgesellschaftlichen und planetarischen Bereich im Moment nicht, beziehungsweise können ihn uns nur in der aktuellen Form (kapitalistisch, extraktivistisch, kolonial, umweltzerstörend) vorstellen. Und genau hierin liegt der Grund, warum Digitalität getanzt werden muss!

Mithilfe digitaler Medien könnte dieser Sprung (vom Kleinen ins Große) bewerkstelligt werden. Dabei fallen mir zwei Ebenen ein: Erstens, und das kennen wir relativ gut, können digitale Medien uns miteinander besser vernetzen und zweitens, und das ist nun etwas schwieriger, könnten wir mit Hilfe digitaler Infrastrukturen auf der Vernetzung aufbauend miteinander interagieren, spielen, simulieren, umprogrammieren, diskutieren. Hoffnung geben hier die sogenannten agentenbasierten Computermodelle mit denen bereits verkehrstechnische Probleme oder das Rätsel der Vogelschwärme gelöst und das Entstehen von Massenpaniken bei Großveranstaltungen simuliert werden können. Grundprinzip der agentenbasierten Computermodelle ist das Einprogrammieren einfacher Verhaltensregeln in sogenannte Agenten, die je nach Modell Menschen, Tiere, Moleküle oder Artefakte darstellen können. Die Agenten interagieren mit ihrer Umgebung und anderen Agenten, sie tanzen. Dieser Von-Unten-Nach-Oben-Ansatz klingt sehr simpel, aber damit lassen sich teilweise sehr komplexe Dynamiken entfalten, und vielleicht gelingt es uns kollektiv, das Problem der Nachhaltigkeit tanzend zu bekämpfen! Denn agentenbasierte Modelle lassen sich auch tanzen.

Die einfachen Regeln kann man nicht nur in der Computerwelt, sondern auch in der realen Welt etwa als Tanz durchführen. Damit lässt sich erlernen, wie kleine Änderungen (der Tanzregeln) große Änderungen (für die gesamte Choreografie) bewirken. Diese Art der Computersimulation könnte auch für Fragen wie, was wäre, wenn wir eine Gesellschaft ohne Geld hätten, ohne freien Markt, ohne privates Eigentum, ohne Lohnarbeit herangezogen werden, und wir könnten sie damit spielend beantworten, einüben, tanzen. Und so wäre es zumindest theoretisch möglich, durch stärkere Vernetzung die gesamtgesellschaftliche Beteiligung an einem kostenfreien, populären massenhaft gespielten, vernetzen Rollenspiel, das die große Transformation thematisiert, zu realisieren. Ein Spiel, womit alternative Welten (ohne Eigentum, ohne Geld/ Kapital etc.)[1] durch alle ständig verbessert und erweitert werden. Die Kulturtechnik Programmieren gehörte in dieser theoretischen Welt zur Allgemeinbildung. Mit der Verbreitung des Spiels würden alternative Welten greifbarer, weil spiel- und erlebbar, und so wüssten wir auch alle noch viel besser, wieso wir alles verändern müssen. Wir könnten endlich damit anfangen, Digitalität zu tanzen![2]


[1]     Eine Einführung in die Theorie, wie Kapitalismus aufgehoben werden könnte, bietet: Simon Sutterlütti, Stefan Meretz: Kapitalismus aufheben. Eine Einladung, über Utopie und Transformation neu nachzudenken, VSA Verlag, 2018.

[2]     Vgl. Shintaro Miyazaki, Digitalität tanzen! Über Commoning und Computing, transcript, 2022.,  https://www.transcript-open.de/isbn/6626 


Shintaro Miyazaki ist seit 2020 Juniorprofessor für digitale Medien und Computation am Fachbereich Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin. Er kam im damaligen West-Berlin zur Welt, ist aber in der Dreiländerregion Basel-Freiburg-Mulhouse aufgewachsen (Studium in Basel, Promotion in Berlin). Nach einer langjährigen Feldforschung im praxisorientierten Umfeld einer Kunsthochschule widmet er sich seit einigen Jahren wieder eher theoretischen Gedankenexperimenten und einer konstruktiven Kritik aktueller Technologien.

Futures Literacy – Zukünftekompetenz als politische Praxis

30. September 2024

Wie würde eine Welt aussehen, in der wir bestmöglich ausgestattet sind, gerechte, solidarische und fürsorgliche Zukünfte zu gestalten? In der wir nicht nur mutige Ideen und Visionen haben, sondern auch die Werkzeuge und Methoden, um diese Wirklichkeit werden zu lassen?

Wenn ich darüber spreche, dass wir bei SUPERRR digitalpolitische Themen gesamtgesellschaftlich kontextualisieren, mit dem Ziel, gerechtere und vielfältigere Zukunftsvisionen zu gestalten, tun viele Menschen das als feministische Träumereien und Wunschdenken ab.

Warum eigentlich? Warum sind wir so viel lieber bereit dazu, viel zitierten Gemeinplätzen Glauben zu schenken und aktuelle Zustände zu unverrückbaren Tatsachen zu erklären? Und das, obwohl wir doch tagtäglich sehen und erleben, dass unsere altbekannten Denkweisen und Ansätzen nicht greifen – sie weder wirkliche Lösungen für die viel beschworenen Polykrisen bereithalten noch auf Zukünfte hinwirken, die Sicherheit, Gerechtigkeit und Sorge für und um alle Menschen, unsere Umwelt, unser Ökosystem priorisieren.

Die Erzählungen, die wir als Gesellschaft haben, bestimmen, wie wir auf die Welt blicken, was und wie wir denken und uns vorstellen (können). Umgekehrt bestimmt unsere Denk- und Vorstellungskraft diese Erzählungen – und manifestiert damit auch unsere Realitäten. Statt mutige Visionen zu entwerfen, sehen wir gerade vor allem Erzählungen, die den Status-quo als vermeintlich unausweichliche Kontinuität festschreiben.

Debatten um Digitalisierung und technologische Entwicklungen bedienen häufig einseitige Narrative von Innovation, Effizienzsteigerung und Wirtschaftswachstum. Oft sind es aber genau ebendiese Narrative, die die negativen Auswirkungen von Technologie befeuern und am stärksten marginalisierte Gruppen betreffen – seien es Verletzungen der Privatsphäre oder Datenverzerrungen beim maschinellen Lernen, die Ungleichheiten in der realen Welt reproduzieren.

Digitalisierung muss gesamtgesellschaftlich betrachtet werden, um die oft unsichtbaren Machtstrukturen, unausgesprochenen (Vor)Annahmen und systemischen Zusammenhänge sichtbar zu machen. Das bedeutet auch, Innovationsnarrative in Frage zu stellen. Welche Interessen verfolgen sie, welche impliziten Werte und Weltbilder, Perspektiven und Positioniertheiten haben sie im Blick – und welche werden außen vor gelassen? Auf welche Zukünfte zahlen sie ein? Und: Ist eine technische Lösung wirklich die richtige Lösung? Denn allzu oft stecken Diskurse um Digitalisierung in »Techniksolutionismus« und kleinteiligen Regulierungsversuchen fest, die im Schadensbegrenzungsmodus verharren und das große Ganze nicht im Blick haben. Aber Schadensbegrenzung verspricht weder Heilung noch packt sie Probleme an ihrer Wurzel.

Wie könnte es anders gehen? Wie können wir alternative Visionen und Erzählungen entwickeln, die auf gerechtere Zukünfte hinarbeiten – Zukünfte im Plural, die der Unterschiedlichkeit an Perspektiven, Visionen und Hoffnungen wirklich Rechnung tragen? Wie können wir Allianzen schmieden, die uns erlauben, das Wissen und die Vorstellungskraft unterschiedlicher Disziplinen, Arbeitsfelder und Menschen zusammenzubringen? Und welche Räume braucht es, damit diese Zukünfte bereits im Hier und Jetzt verkörpert – sie spürbar und erfahrbar werden?

Ein Zitat der wunderbaren Wissenschaftlerin und Autorin bell hooks bietet einen Ausgangspunkt: »What we cannot imagine cannot come into being« (»Was wir uns nicht vorstellen können, kann auch nicht Wirklichkeit werden«). Wie also können wir unsere Vorstellungskraft stärken?

»Futures Literacy« ist die Kompetenz, unterschiedliche Zukünfte zu imaginieren, zu antizipieren und zu planen. Sie ermöglicht es uns, unsere Erzählungen über das, was war, ist und sein könnte, kritisch zu befragen und alternative und wünschenswerte Zustände zu imaginieren, die sich in konkrete Maßnahmen und Handlungsmöglichkeiten übersetzen lassen.

Wie eine zivilgesellschaftliche Allianz aussehen könnte, die gemeinschaftlich und strategisch auf wünschenswerte Zukünfte hinarbeitet, haben wir in unserem Pilotprogramm Futures Literacy for Civil Society erprobt. Gemeinsam mit zwölf zivilgesellschaftlichen Organisationen haben wir »Zukünftekompetenz« aufgebaut, Methoden getestet und alternative Zukunftsräume entworfen. Ein wichtiger Schritt war hierbei, sichtbar zu machen, dass dominante Erzählungen nicht einfach so da sind, sondern Interessen verfolgen, bestimmte Werte und Normen, Personengruppen und Positioniertheiten im Blick haben und andere außen vorlassen. Denn das bedeutet auch: Sie sind veränderbar und gestaltbar! Ein machtkritischer wertebasierter Ansatz und das Zusammenbringen unterschiedlicher Perspektiven ermöglicht es, Risiken zu antizipieren, Entscheidungen zu diversifizieren und somit alternative Szenarien zu entwickeln.

Gerade Kunst- und Kulturräume haben ein unglaubliches Potenzial, diese Form der Zusammenarbeit, des gemeinsamen Imaginierens, aber auch des körperlich Spür- und Erfahrbarmachens zu ermöglichen – sind sie doch per se immer schon Orte des Experimentierens, der ungewohnten Denkpfade und Schöpfungskraft. Denn Zukünftearbeit ist nicht nur Methodenarbeit, sie ist auch somatische Praxis und Verkörperung, die als performativer Akt Wirklichkeit erzeugt – im Hier und Jetzt.

Damit diese Räume Realität werden und wir von der Vorstellung in die Umsetzung kommen, braucht es strukturellen Wandel. Wenn Inklusion und Diversität mehr sein sollen als Buzzwords, braucht es andere Rahmenbedingungen, die diese Art der Arbeit, insbesondere von marginalisierten Communities, explizit fördert. Das bedeutet konkret: ein Umdenken von Förderlogiken in Richtung Verlässlichkeit, Nachhaltigkeit und ernsthafte Beteiligungsprozesse. Mehr Geld, langfristige Planbarkeit für Mitarbeiter*innen, weniger Arbeitsbelastung, Sicherheit und Anerkennung, damit diese Räume der Wissensvermittlung und der gelebten politische Praxis Wirklichkeit werden können. Denn es ist zutiefst politisch, wer über Zukünfte nachdenkt, sie imaginiert, ersehnt, plant und erschafft. Und: Wer überhaupt die Zeit, Ressourcen, Lebensbedingungen hat, Zukünftearbeit zu leisten.

»Where we stand determines what we’re able to see« (»Wo wir stehen [Anm. der Verf.: im Sinne unserer eigenen Positioniertheit, Werte, Normen] bestimmt, welche Blickwinkel/Standpunkt wir einnehmen können«), so die Schriftstellerin Octavia Butler. Im Moment hat vor allem ein kleiner, sehr privilegierter Teil unserer Gesellschaft überhaupt die Möglichkeiten, Zukünfte zu gestalten. Das hat zwangsläufig Auswirkungen auf die Zukunftvisionen und -szenarien, die uns umgeben. Wenn wir wirklich an gerechteren Zukünften bauen wollen, brauchen wir vielfältige Perspektiven, Ideen und Visionen – und die Repräsentation und Sichtbarkeit von marginalisierten Communities, Menschen mit (un)sichtbaren Behinderungen, migrantischen, queeren, nicht-weißen Personen, Menschen mit Fluchterfahrung, Menschen, die prekär leben, aus nicht akademisierten Kontexten kommen.

Zukünftekompetenz fördert eine informierte und gestalterische Haltung – so auch zu digitalen Technologien. Sie ermöglicht es nicht nur, Themen und Fragestellungen zukunftsorientiert und multiperspektivisch zu denken, sondern ist auch eine Grundvoraussetzung, damit sich Menschen kritisch und selbstbestimmt in digitale Räume einbringen. Die Erfahrung, dass Gegenwarte und Zukünfte nicht gesetzt, sondern gestaltbar sind, stärkt die Handlungsmacht, die eigene Wirksamkeit in der Welt und macht damit die Beteiligung und Freude an kritischen Debatten und demokratischen Diskursen erfahrbar. Wie sehen neue und hoffnungsvolle Erzählungen und Ansätze für die Zukunft unserer Gesellschaft aus? Welche gerechteren Szenarien und Visionen können wir imaginieren, wenn wir uns nur trauen? Zeit es herauszufinden!


Nandita Vasanta ist Projektleiterin und verantwortlich für die  Zukünftearbeit bei SUPERRR Lab. Als ausgebildete Komparatistin  interessiert sie sich besonders für Schnittstellenthemen, die die  Expertise und Kollaboration vieler brauchen. In der Vergangenheit hat  sie unterschiedliche wissenschaftliche und kulturelle Programme  konzipiert und umgesetzt, mit dem Ziel, neue Formen der Beteiligung und  der Demokratisierung von Wissen zu ermöglichen. Als zertifizierte Coach  und Mediatorin glättet sie die Fallstricke menschlicher Kommunikation  und unterstützt Menschen dabei, ihre eigene Form der Wirksamkeit zu finden.

Menschenzentrierte KI: Wer zählt als Mensch?

21. Mai 2024

Spätestens durch den Hype um text- und bildgenerierende KI-Chatbots wie ChatGPT sind Risiken und Gefahren durch sogenannte Machine-Learning-Systeme (landläufig als Künstliche Intelligenz (KI) bezeichnet) in gesellschaftlichen Debatten angekommen. Zwei grundlegend unterscheidende Positionen zeichnen sich dabei in den Diskussionen ab: Auf der einen Seite stehen jene, die für die Menschheit existenzielle, aber bisher hypothetische KI-Risiken als größte Gefahr wahrnehmen (AI safety/alignment). Während auf der anderen Seite sich jene positionieren, die den bereits bestehenden Gefahren wie Bias und Diskriminierung (AI ethics) oberste Priorität einräumen und die Fokussierung auf hypothetische Gefahren als Gleichgültigkeit gegenüber den nachteiligen Auswirkungen von KI auf oftmals bereits marginalisierte Personengruppen kritisieren.

Gefahren durch KI-Systeme sind bekannt

Die bereits bekannten und akuten Gefahren durch KI-Systeme sind derweil gut dokumentiert – auch wenn es weiterhin schwierig bleibt, sie zu umgehen. So lassen sich die diskriminierenden, rassistischen und stereotypen Darstellungen durch bildgenerierende KI, neben den vielen Beispielen aus dem Alltag, durch einen sogenannten Bias Explorer visualisieren. Die weitreichenden Auswirkungen von algorithmenbasierter Diskriminierung durch Systeme des automatisierten Entscheidens auf Betroffene sind ebenfalls durch vielfältige Fälle belegt. Ebenso hat sich bestätigt, dass Automatisierung vielfach zur Überwachung und Kontrolle von Personen in Abhängigkeitsverhältnissen eingesetzt wird – beispielsweise am Arbeitsplatz oder bei der Vergabe von Sozialleistungen.   

Einsicht ist auch hier der erste Schritt zur Besserung. Denn es werden bereits vielfältige Ansätze diskutiert, wie sich diese Risiken durch KI reduzieren bzw. ganz vermeiden lassen. Das Schlagwort unter dem nationale sowie europäische Gesetzgeber*innen, Industrie, Wissenschaft und Zivilgesellschaft eine risikoärmere KI diskutieren lautet: Gemeinwohlorientierte KI. Das erklärte Ziel ist, dass KI allen zugutekommen soll, sie niemanden benachteiligen und möglichst Vielen Nutzen bringen. Kurzum, wie die Europäische Union verlauten lässt: KI soll menschenzentriert entwickelt und eingesetzt werden.

Einzelne KI-Systeme sicherer machen

Lösungsansätze für eine gemeinwohlorientierte und menschenzentrierte KI konzentrieren sich insbesondere darauf, Prozesse bzw. regulatorische Rahmenbedingungen zu schaffen, um einzelne KI-Systeme sicherer zu machen. Die Automatisierungen sollen fairer, integrativer, genauer, repräsentativer, nachvollziehbarer etc. sein – und dass vor allem mit Blick auf diejenigen Personen, die direkt mit einem KI-System interagieren bzw. von dessen Entscheidungen betroffen sind. Was eine solche Perspektive auf gemeinwohlorientierte KI nicht berücksichtigt, sind die vielfältigen Auswirkungen von KI, die sich nicht im direkten Umgang mit den KI-Systemen offenbaren. Denn hier zeigen sich über individuelle KI-Systeme hinaus fundamentale Auswirkungen auf Fragen der sozialen Gerechtigkeit.

Generative KI ist nicht nachhaltig

Im Fokus stehen hier insbesondere sehr große KI-Systeme, sogenannte Large Language Models (LLMs) als Grundlage von generativer KI. Ihre Auswirkungen gehen weit über die Folgen individueller Systeme hinaus. Denn sie haben beispielsweise einen teils massiven Ressourcenverbrauch – von der Energie und den Emissionen, die anfallen, wenn LLMs in Rechenzentren entwickelt und trainiert werden, zum Wasserverbrauch für die Kühlung eben jener Rechenzentren, zu den Mineralien und seltenen Erden, die für die Massen an Hardware gebraucht werden, um LLMs zu entwickeln und generative KI zu betreiben, und die unter oft prekärsten Arbeitsbedingungen und mit massiven Schäden für die Umwelt abgebaut werden.

Gleichzeitig handelt es sich bei den Outputs generativer KI in der Regel nicht um Zauberei, sondern um eine Technologie, die nicht ohne menschliche Arbeit vonstattengeht. Arbeiter*innen werden gebraucht, um Daten zu annotieren, mit denen KI-Modelle trainiert werden, oder um in einem Prozess namens Reinforcement Learning from Human Feedback (RLHF) die Outputs generativer KI auf ihre Qualität zu bewerten. Diese oft unterbezahlte  Arbeit ist notwendig, damit die Outputs generativer KI keine obszönen und verstörenden Inhalte ausgeben – die jedoch die Arbeiter*innen zu sehen bekommen und die ähnlich wie die Moderator*innen großer Online-Plattformen als Folge unter den psychischen Belastungen massiv leiden. Während also die Ressourcen für die Hardware in den Rechenzentren und die manuelle Arbeitskraft für die Funktionstüchtigkeit von generativer KI im globalen Süden abgeschöpft werden, streichen Unternehmen aus dem globalen Norden die Profite von KI ein. Das ist nicht nur monetär gemeint. Obgleich die Künstlerin, Journalistin und Aktivistin Joana Varon eindrücklich in ihren tech cartographies darstellt, wie groß das Ungleichgewicht zwischen US-amerikanische Profiten auf der einen Seite und der Zulieferung von Ressourcen aus dem globalen Süden auf der anderen Seite sind.

Chancen und Risiken von KI sind ungleich verteilt

Aber die Profite des globalen Nordens gehen über Unternehmensumsätze hinaus. Denn aktuell sind es insbesondere US-amerikanische Unternehmen, die generative KI auf Grundlage anglo-amerikanischer bzw. westlicher Daten für einen Markt im globalen Norden entwickeln. Als Tool, das zunehmend für die gesellschaftliche Wissensproduktion eingesetzt wird, z. B. im Journalismus oder in der Wissenschaft, reproduziert generative KI entsprechend anglo-amerikanische sowie westliche Wissensbestände aus dem Mainstream. Diese kulturelle Dominanz spiegelt sich in den schlechten Outputs von generativer KI für kleinere Sprachen oder in den unrealistischen bildlichen Darstellungen außerhalb der amerikanischen Mainstream-Kultur. Die Zwecke, die generative KI erfüllen soll, sind entsprechend auf westliche Arbeits- und Effizienzvorstellungen ausgerichtet und sie reproduzieren westliche Wissensbestände, während die Zulieferung aus dem globalen Süden auf Rohstoffe und Ressourcen beschränkt wird und sie Mülldeponien für den gesammelten Elektroschrott bereitstellen.

Gleichzeitig ist der globale Süden stärker von den Klimaveränderungen bedroht, die sich im Zuge der Klimakrise immer deutlicher abzeichnen. Während Rechenzentren und Datenübertragungsnetzwerke bereits 2-4% der globalen CO2-Emissionen verursachen, ist angesichts der zunehmenden Bedeutung von KI und ihrem teils immensen Ressourcenverbrauch mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. Nicht umsonst betonen bekannte Silicon-Valley-Akteure, dass die Zukunft von KI von einem Durchbruch im Bereich der sauberen Energie abhänge. Gleichzeitig ist nicht anzunehmen, dass die KI-Entwicklung verlangsamt wird, wenn diese Energiequellen nicht zur Verfügung stehen.

Echte Transformation statt Kontinuität von globaler Ausbeutung

Der Vergleich von Risiken und Chancen generativer KI, wie sie Tech-Funktionäre gerne vorbringen, ist angesichts dieser global so ungleichen Verteilung eben jener Chancen und Risiken zynisch. Wer das Mantra einer gemeinwohlorientierten und menschenzentrierten KI ernst nimmt, sollte eine globale Gerechtigkeitsperspektive in den Blick nehmen. Wer KI also gerechter gestalten will, muss auch Fragen danach stellen, wer die Macht hat, die Art und Weise der KI-Entwicklung zu bestimmen und wer dementsprechend gestalten kann, wer von KI profitiert und wer durch sie entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette benachteiligt wird. Aktuell setzen die dominanten KI-Unternehmen auf eine historische Kontinuität der Ausbeutung und des Extraktivismus durch den globalen Norden, während Umweltschäden, Risiken für die Gesundheit und Ausbeutung von Arbeitskraft im globalen Süden aufrechterhalten wird.

Wer sich durch KI eine Transformation, vielleicht sogar hin zu einer nachhaltigeren Gesellschaft, erhofft hat, der wird bitter enttäuscht. Denn echte Transformation kann nur gelingen, wenn eben jene Ausbeutungsstrukturen der Vergangenheit überwunden werden. Aktuell werden sie jedoch in den technischen Systemen generativer KI weiter manifestiert. Angesichts der Sperrigkeit des Themas braucht es künstlerische Auseinandersetzungen und Reflektionsräume, die diese sehr realen und spürbaren Gerechtigkeitsfolgen von KI erfahrbar machen. Hier gilt es kulturpolitisch die Weichen zu stellen. Denn generative KI wird nicht nur zunehmend als Herausforderung für den Kreativ- und Kulturbereich wahrgenommen, sie wird auch zu einem Instrument, dass sich beispielsweise in der Öffentlichkeitsarbeit von Kultureinrichtungen oder in der künstlerischen Arbeit selbst einsetzen lässt. Die Kulturpolitik hat eine Verantwortung, nicht blind dem Hype um die ausbeuterischen Chatbots kommerzieller US-amerikanischer Unternehmen zu folgen, sondern alternativen KI-Infrastrukturen im Kulturbereich den Weg zu ebnen. Darüber hinaus muss Kulturpolitik den Rahmen schaffen, damit wir in künstlerischer Auseinandersetzung Fragen danach stellen können, welche Zukunft wir uns für und mit KI vorstellen und wie sich solche gesellschaftlichen Zielvorstellungen umsetzen lassen. Letztlich geht es also um die Frage, was wir unter Gemeinwohl und Menschenzentrierung angesichts von KI verstehen und welche Potenziale wir haben, diese zu realisieren. Denn wir sollten es vermeiden, dieselben Fehler zu begehen, die wir bereits angesichts von großen Online-Plattformen begangen haben. Es gilt die Dogmen der Entwicklung und des Einsatzes von neuen Technologien zu hinterfragen und selbst zu gestalten. Der Moment dazu, ist jetzt.

Dr. Anne Mollen forscht am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen bei der Nachhaltigkeit von KI, Automatisierung und öffentliche Meinungsbildung, algorithmenbasierte Diskriminierung sowie digitaler Selbstbestimmung. Als Expertin für KI und Digitalisierung hat Anne Mollen in der Vergangenheit verschiedene politische Gremien beraten. Auch für Algorithm Watch ist sie beratend tätig und hat dort das Sustain-Projekt geleitet.

Wir brauchen Utopien!

24. April 2024

Nicht nur für Kultur und Kulturpolitik sind Utopien gefragt: Jede und jeder sollte sich an Utopien heranwagen, sich trauen und die Verantwortung übernehmen, die Zukunft zu gestalten. Ludwig Wittgenstein hat einst gesagt: »Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.« Ohne Sprache keine Kommunikation, kein Austausch, kein Konkurrieren und Vermischen verschiedener Weltsichten, Interpretationen und Argumente. Aber nicht nur die Sprache ist eine fundamentale Grundlage für das Verständnis der Welt, sondern auch, welche Geschichten wir uns mit ihr erzählen. Damit meine ich einerseits die größeren gesellschaftlichen Narrative, die unser Sein und Handeln einrahmen, aber auch ganz explizit erzählte Geschichten in Form von Büchern, Theaterstücken, Filmen, Songs und Computerspielen.

Wir sind alle Teil einer Geschichte

In dem Maße, in dem viele westliche Gesellschaften immer offener und liberaler werden und das Bedürfnis für Diversität und Vielfalt anerkannt wird, verändert sich auch das Storytelling, das den Zeitgeist widerspiegelt und ihm gleichzeitig seine Form gibt. War es in den 90er Jahren noch problemlos möglich, Männer vom Mars und Frauen von der Venus kommen zu lassen und dies als Beweis für die vermeintlich unüberbrückbaren Differenzen der Geschlechter zu postulieren, sind »wir« heute, schon wesentlich weiter. Es geht nicht mehr darum, die Geschlechter voneinander abzugrenzen. »Wir« verstehen das Geschlecht als Kontinuum, in dessen Spektrum sich viele unterschiedliche Eigenschaften, Wünsche und Identitäten manifestieren. Dies ist das Selbstverständnis der modernen Gesellschaft zu der ich mich zähle – deshalb das »wir« in Anführungszeichen.

Gleichzeitig sehe ich, dass es ganz andere Gesellschaften gibt, die zwar nicht örtlich, aber dafür perspektivisch von meiner Lebenswelt abweichen. Ein Blick in die Instagram- oder TikTok-Reels zeigt Männer, die sich gerne selbst als »Alphas« bezeichnen und ein Geschlechterverständnis propagieren, das alttestamentarischen Texten entspringen könnte: Der Mann als unangefochtener, mächtiger, selbstwirksamer Herr über Weib und Kind; darunter die Frau als unterwürfige, minderwertige Dienstleisterin von Sex- und Sorgearbeit. Diversität und Queerness: Fehlanzeige. Und während wissenschaftliche Fachgesellschaften eine neue Leitlinie für den Umgang mit transgender Kindern und Jugendlichen erarbeiten, verbietet der Bayerische Ministerpräsident seinen Beamt*innen das Gendern.

Die Gegenwart ist unübersichtlich: deal with it!

Manchmal tun mir die Schüler*innen leid, die in Zukunft die Geschichte des 21. Jahrhunderts lernen müssen. Ich sehe schon wütende Elternbriefe, in denen gefragt wird, wie die Kinder denn bitte all diese widersprüchlichen Fakten lernen sollen. Waren die Menschen zu Beginn des KI-Zeitalters jetzt liberal oder konservativ, religiös oder atheistisch, demokratisch oder autoritär, wie sollen die Kinder diese Fragen in der Schulaufgabe des Jahres 2124 bloß richtig beantworten? Tja, liebe Eltern aus der Zukunft, da kann ich auch nicht weiterhelfen. Offenbar sind wir alles gleichzeitig. Das mag frustrierend sein. Es zeigt aber auch die unbändige Variabilität der menschlichen Vorstellungskraft, und wie stark Narrative – also sinnstiftende Erzählungen für eine Gruppe oder Kultur – unsere Interpretation der Welt und unsere eigene Position darin beeinflussen. Gerade in der heutigen Zeit, in der sich ein immer größerer Teil des Alltags digital abspielt, stellen wir fest, wie stark uns über das Internet und die Sozialen Medien geteilte Inhalte zu einer Community zusammenschweißen. So fühle ich mich einer Schwarzen amerikanischen Feministin oder einer nichtbinären Autor*in näher als meinem biodeutschen Nachbarn, der auf der Heckscheibe seines SUVs frauenfeindliche Aufkleber spazieren fährt.

Meine Community prägt mich

Der Austausch mit meiner Community, die geteilten Informationen, die Diskussionen und persönlichen Erfahrungsberichte prägen mich und meine Sicht auf die Welt. Wenn ich dann im realen Leben neue Menschen kennenlerne, ist es immer spannend zu sehen, ob und wie stark sich unsere Online-Communities überschneiden, welchen Accounts wir gegenseitig folgen oder welche Influencer*innen, für einige prägend sind und von anderen überhaupt nicht wahrgenommen werden. Lange Zeit war so ein clash of Filterbubble der Anfang von Streit, weil man die Unwissenheit des Gegenübers als Provokation und die unterschiedliche Sprache als Affront auffasste. Mittlerweile wissen wir, wie sehr uns die digitale Umwelt prägt und dass unterschiedliche digitale Lebenswelten verschiedene Verhaltensweisen erzeugen, die nicht notwendigerweise feindselig, sondern einfach anders sind. Und es ist ein absoluter Mehrwert, mit offenen Augen und Ohren solche Gespräche zu führen, nicht um den eigenen Standpunkt als Pflock in den Boden zu rammen um seinen Turf abzustecken, sondern um zu erkunden, welche Sichtweisen parallel zur eigenen existieren.

Je mehr wir in der Lage sind die Gleichzeitigkeit und manchmal auch Widersprüchlichkeit verschiedener Kulturen und Narrative auszuhalten, desto eher sind wir auch bereit, neue Ideen für zukünftige Gesellschaften und Lebensweisen anzunehmen. Denn die Geschichten, die wir uns heute erzählen, prägen unsere Vorstellung von der Zukunft.

Wir erzählen uns eine düstere Zukunft

Erinnern Sie sich doch bitte mal an das letzte Zukunftsszenario, das Sie gesehen, gelesen oder gehört haben. Und damit meine ich ausnahmsweise nicht den letzten IPCC Report oder die Nachrichten über Artensterben, Mikroplastik, oder dräuende Pandemien, sondern fiktive Geschichten. Erinnern Sie sich bitte an Buchcover, Serien oder Blockbuster und vielleicht fällt Ihnen auf – wir haben die Welt schon unzählige Male untergehen sehen: Meteoriteneinschlag, Vulkanausbruch, Atomkrieg, Monsterwelle, Ewiges Eis, Alien Invasion, Pandemie, you name it … ! Und jetzt vergegenwärtigen Sie sich bitte all die erfolgreichen Filme, Bücher und Geschichten, in denen die Welt gerettet wurde. Und ich meine jetzt keine einsamen Held*innen, die gegen Supervillains kämpfen oder einen Ring in einen Vulkan werfen mussten, sondern eine komplette Rettung, eine komplette Heilung, so wie das Armageddon oder der Deep Impact oder die Zombie Apokalypse, die die komplette Zerstörung unserer Zivilisation bedeutet haben. Und, fällt Ihnen was ein?

Vielleicht geht es Ihnen wie mir und Sie merken: da ist nicht viel. Da sind nicht viele Geschichten, die Hoffnung machen, wenig Visionen, wenig Utopien, kaum Konzepte für eine bessere Welt. Egal wo wir hinschauen: Wenn wir uns fragen, wie die Zukunft wird, lautet die Antwort meist: Düster. Und seien wir ehrlich: Wenn wir uns die oben genannten Nachrichten und wissenschaftlichen Fakten vor Augen führen, dann scheinen diese den Weg in den Untergang zu bestätigen.

Der Untergang ist nicht unvermeidlich

Und dennoch: Es muss nicht notwendigerweise so kommen! Unser Schicksal als Menschheit ist nicht besiegelt. Niemand sagt, dass wir morgen genauso weitermachen müssen wie heute. Kein physikalisches Gesetz bedingt unseren Untergang. Im Gegenteil. Gerade in pluralistischen und demokratischen Gesellschaften können wir neue Gesetze, neue wirtschaftliche Systeme, neue Schutzmechanismen und neue Strategien entwickeln, um eine nachhaltige Zukunft zu gestalten. Das geht aber nur, wenn wir eine Vorstellung davon haben, wie eine bessere Zukunft aussehen könnte. Und das geht nur, wenn wir nicht nur unsere eigene Geschichte immer wiederkäuen, sondern den unzähligen anderen Stimmen, die heute schon ihre Geschichte, ihre Version der Realität und Zukunft erzählen, zuhören! Wir müssen uns trauen, mit neuen positiven Geschichten von der Zukunft einen Möglichkeitsraum in den Köpfen der Menschen zu schaffen, der zuvor nur von pessimistischen Aussichten und Untergangsszenarien besetzt war.

Sich aktiv für positive Zukünfte entscheiden

Wir können nur das tun, was wir vorher gedacht haben, was wir uns gegenseitig erzählt haben, wofür wir eine Sprache gefunden haben. Und deshalb ist es so wichtig, sich aktiv mit neuen positiven Perspektiven zu beschäftigen, damit wir nicht nur düstere Stereotype und destruktive Erzählungen kennen, sondern hoffnungsvolle Alternativen in Betracht ziehen. Denn wer immer nur schwarzgesehen hat, kann sich keine Farben ausdenken. Und wir müssen die Zukunft erst denken, bevor wir sie erschaffen können. Das Schöne ist: Es gibt sie bereits. Die Utopien, oder wie Kim Stanley Robinson sagt, die Anti-Dystopien. Denn echte Utopien sind verdammt schwer zu finden und stehen – zu Recht – immer im Verdacht, verkappte Diktaturen zu sein. Aber Anti-Dystopien, also Geschichten, in denen zwar nicht alles perfekt zugeht und nicht alle Probleme der Welt gelöst sind, aber Vorschläge gemacht werden, wie wir aus der fehlerhaften Realität eine bessere, nachhaltigere Welt machen könnten, sind vielleicht der Schlüssel zu einer besseren Zukunft.
Sie finden diese Geschichten unter verschiedenen Labeln: Als Afrofuturismus, als Hopepunk, als Climate Fiction oder Solarpunk. Überlassen Sie es nicht dem Zufall, aus Versehen über diese Geschichten zu stolpern. Entscheiden Sie sich absichtlich für sie, um einen neuen Blick auf die Zukunft zu bekommen, um neue Ideen zu entwickeln und Hoffnungen zuzulassen.

Aber ich muss Sie warnen. Die Beschäftigung mit positiven Zukunftsszenarien könnte ungeahnte Nebenwirkungen haben. Nicht nur könnte es sein, dass Sie Freude daran empfinden, sich absichtlich mit positiven anstatt negativen Zukünften zu beschäftigen. Es könnte auch sein, dass Sie Ihre eigene Rolle überdenken und plötzlich Möglichkeiten sehen, über privates, politisches oder gesellschaftliches Engagement die bessere Zukunft mitzugestalten. Denn für eine gute Zukunft gilt das gleiche wie für gute Politik, gutes Essen und gute Literatur: Sie ist Handarbeit.


Theresa Hannig studierte Politikwissenschaft und arbeitete als Softwareentwicklerin, bevor sie sich hauptberuflich dem Schreiben zuwandte. In ihren Texten beschäftigt sie sich mit der Zukunft unserer Gesellschaft in Hinblick auf Kapitalismus, KI und Klimawandel. Hannigs Romane wurden mehrfach ausgezeichnet, zuletzt erhielt sie auf der Leipziger Buchmesse für ihren Roman Pantopia den Phantastik Literaturpreis Seraph für das Beste Buch 2023. Für ihr Engagement, schreibende Frauen in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen, wurde sie 2023 mit dem Tassilo-Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung ausgezeichnet.

Banden bilden

9. April 2024

Aushandlungsprozesse an Theatern können die Digitalisierung und nachhaltige Praktiken in ein zukunftsfähiges Zusammenspiel bringen: Als Motor gesellschaftlicher Prozesse kristallisiert sich derzeit in kulturpolitischen Zusammenkünften vielerorts ein »Utopien schmieden« heraus, so umschrieb es kürzlich der Leiter Digitaler Prozesse am Stadttheater Gießen Patrick Schimanski in seinem BLOG-Beitrag »Theater der Zukunft – eine Utopie« für das Projekt »Auf dem Weg in die Next Society?!« der Kulturpolitischen Gesellschaft. Der Autor bezog sich konkret auf zwei Veranstaltungen, die er selbst zusammen mit Maik Romberg, dem Leiter der Stabstelle Digitalisierung der Münchner Kammerspiele konzipiert und durchgeführt hat. In seinem Text entwickelte er inspiriert davon eigene Visionen zu einem »Theater der Zukunft«. Anfang Februar öffneten sich an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden an beiden Theaterhäusern Räume für Aushandlungsprozesse, deren Blick in die Zukunft gerichtet war. Die erfrischend vielseitigen Beiträge zur drängenden und praxisorientierten Notwendigkeit eines gesamtgesellschaftlichen Kulturwandels brachten wertvolle Impulse in die kulturpolitische Debatte und wurden damit zur Plattform, um Banden im Sinne von Vernetzungen zu bilden.

An die Nachgeborenen

Auf der Bühne der Münchner Kammerspiele wurden die Worte Reinhard Pfriems beim »2. Forum für Theater, digitale Transformation und Nachhaltigkeit« zu einem mahnenden Movens für die Ausrichtung der gesellschaftlichen Relevanz beider Symposien. Der Initiator und Mitbegründer des Institutes für ökologische Wirtschaftsforschung lieferte mit einer kritischen Bestandsaufnahme des aktuellen Aushandlungsfeldes, geprägt von den Nachhaltigkeitsbestrebungen, dem digitalen Zeitalter und der aktuellen gesellschaftlichen Lage, eine in ihrem Tiefgang wertvolle Grundlage für die lösungsorientierten Ansätze der Tagung. Inspiriert vom Theatermacher Bertolt Brecht setzte Pfriems Eröffnungsbeitrag »An die Nachgeborenen. Nachhaltigkeit, Digitalisierung und die Frage nach einer kulturellen Kehre« bei einem ernüchterten Rückblick auf die Historie der bis heute unzureichenden Bemühungen weltweit für einen nachhaltigen Kulturwandel an und verband diese mit kritischen Bedenken. Bei allen Chancen, die sich für ihn aus der Digitalisierung ergeben, mahnte er, ihre Schattenseiten, die er beispielsweise in »postdemokratischen Entwicklungen« erkennt, nicht zu verdrängen. Eine Kehre als umfassenden Kulturwandel wünschte er sich als »Ausstieg aus der fortschreitenden Zerstörung und der Schöpfung einer besseren Welt«. Angesichts der – nicht nur in den Alltagsnachrichten – vielseitig präsenten Dystopie und den sich überschlagenden gesellschaftlichen Herausforderungen konstatierte der erfahrene Ökonom eine »überbordende Erschöpfung« und rief zugleich in all seiner Skepsis zu einem »Trotzdem!« auf.

Vom Wert kulturpolitischer Aushandlungsprozesse

Für kulturpolitische Aushandlungsprozesse ist es wertvoll und wichtig, den Ernst der Lage und die Komplexität der Herausforderungen zu benennen. Zugleich gilt es, dies mit gegenseitiger Kenntnis von zukunftsweisenden Lösungsansätzen zusammenzuführen, Banden zu bilden, um gemeinsam Veränderungen kraftvoll voranzutreiben. Das können konkrete Werkzeuge der Digitalisierung sein, die als »Transformationshebel« den Wandel innerhalb der Kulturinstitution befördern, wie es Maik Romberg mit Blick auf sein Haus vorstellte. Die Nachhaltigkeitsbeauftragte der Schaubühne Berlin Lisa Marie Hobusch vermittelte über das kraftvolle Bild eines »Dinosauriers«, wie die beiden Leitmotive Nachhaltigkeit und Digitalisierung unbewegliche Kulturorte zu »jagen« vermögen. Die jeweils zuständigen Kolleginnen kamen in einen gemeinsamen Aushandlungsprozess, der agiles Handeln und mehr Dynamik in die Transformation des eigenen Betriebs brachte. Mit »Weg aus den Silos?« unterstrich Patrick Schimanski die notwendige Kooperation zwischen den Querschnittsthemen, um im Kulturbetrieb in nachhaltigen Organisationsstrukturen arbeiten zu können. Zudem hob er hervor, wie sehr die Digitalisierung nachhaltige Prozesse zu beschleunigen und damit auch den CO2-Fußabdruck zu verringern vermag. Der bewegende Vortrag »Gute Pläne sind nachhaltig« des Technischen Direktors des Stadttheaters Gießen Pablo Dornberger-Buchholz führte vor, wie die mittweilen sehr mühsamen Veränderungen in der eigenen Arbeitspraxis mitten im Kulturort zu einem begeisterten Plädoyer führen können, das im inspirierten eigenen Tun den Kulturwandel hin zu mehr Nachhaltigkeit vorantreibt.

Verknüpft mit dem Symposium fand in den Kammerspielen die Verleihung der Zertifikate an die mittlerweile fünfte Generation der »Transformationsmanager*innen Nachhaltige Kultur« statt, verliehen vom Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit. Dramaturgisch betrachtet führt dies zu neuen kulturpolitischen Banden und aktiver Vernetzung für weitere Aufmerksamkeit und Sensibilisierung, um die Verknüpfung von Digitalität und Nachhaltigkeit noch mehr zu fokussieren.

Konkret gestaltende Lösungsansätze

Der Soziologe Davide Brocchi regt in seinem Buch »By Disaster or by Design?«[1] an, sich von den apokalyptischen Szenarien abzuwenden und ihnen durch ein pro-aktives Gestalten etwas entgegenzusetzen. Wie unterschiedlich dies aussehen kann, wurde bei den facettenreichen Perspektiven und Stilen beider Symposien erfahrbar: Die Autorin Theresa Hannig entwirft in ihrem Roman »Pantopia«[2] die Utopie einer mit digitalen Potenzialen ausgestatteten und konsequent an Menschenrechten orientierten Weltrepublik. Als kommunale Kulturverwaltung versteht das Kulturforum Witten inmitten eines lebendigen städtischen Netzwerks Digitalität als Kunstform und eröffnet Möglichkeitsräume für Experimente. Damit entwickelt es nicht nur ein Pilotprojekt für Kultur und Kulturpolitik, sondern auch für die Stadtentwicklung. Über ein Kooperieren verschiedener Häuser, wie Kampnagel und Deichtorhallen in Hamburg und dem Hebbel am Ufer in Berlin wurde die Open Source Disposoftware »artwork« auf den Weg gebracht, die das Kulturmanagement an großen und kleinen Kulturorten effizienter, ressourcenschonender und kollaborativer aufstellt und weiterentwickelt. Hier entsteht – über ressourcenschonende Werkzeuge des Zusammenarbeitens hinaus – ein zukunftsweisender Gemeinschaftssinn. Als Kreislaufwirtschaft treibt das kurz vor der Umsetzung stehende Konzept des Szenografen-Bund mit einer nachhaltigen Online-Materialbibliothek und einer vernetzten Fundusplattform eine Art Revolution hin zu einem nachhaltigen Entwerfen und Produzieren am Theater voran. Das Performancekollektiv »ArtesMobiles« stellt Forschung und Entwicklung, Datenschutz und auch Partizipation ins Zentrum und öffnet damit insbesondere auch den nachwachsenden Generationen über ihre kulturelle Praxis Ermöglichungsräume für ein gutes Leben. Auch hier heißt es Banden bilden: So können kreative Aushandlungsprozesse im kritischen Hinterfragen und forschenden Vernetzen zu gelebten Utopien werden.

Dieser Beitrag wurde zuerst in den Kulturpolitischen Mitteilungen 184, I / 2024, veröffentlicht, S. 65-68.


[1] Davide Brocchi: „By Disaster or by Design? Transformative Kultur: Von der multiplen Krise zur Systemischen Nachhaltigkeit, Wiesbaden: Springer 2023.

[2] Theresa Hannig: Pantopia. Frankfurt am M.: Fischer 2022.

Foto: Ralf Silberkuhl

Dr. Uta Atzpodien (*1968) ist Dramaturgin, Kuratorin und Autorin und engagiert sich mit transdisziplinären (künstlerischen) Impulsen für einen gesellschaftlich nachhaltigen Wandel und eine kreative Stadtentwicklung. Promoviert hat sie mit »Szenisches Verhandeln. Brasilianisches Theater der Gegenwart« (transcript 2005). Seit 2006 lebt sie in Wuppertal, hat hier)) freies netz werk )) KULTUR mit gegründet und ist u.a. Mitglied des und.Instituts für Kunst, Kultur und Zukunftsfähigkeit. Sie ist Leiterin des Projektes »Auf dem Weg in die Next Society? Kulturen der Digitalität für einen nachhaltigen Wandel« der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V.

Kultur als Schlüssel

19. März 2024

Die Bedeutung von Inner Development Goals für eine digitale und nachhaltige next society

Obwohl die 17 Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) bereits 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurden und seitdem einen internationalen Orientierungsrahmen für eine nachhaltige Entwicklung bieten, gehören sie noch immer nicht zum Allgemeinwissen, wenn auch ihr Bekanntheitsgrad stetig steigt. Bis 2030 sollen die 17 Ziele (darunter u.a. Gesundheit und Wohlergehen, hochwertige Bildung sowie menschenwürdige Arbeit als Beispiele für soziale Nachhaltigkeitsziele) erreicht sein, die alle drei Dimensionen von Nachhaltigkeit – Ökologie, Soziales, Ökonomie – berücksichtigen, um uns als next society, die hier als eine nachhaltigere Gesellschaft verstanden werden soll, aufstellen zu können. Nicht nur weisen die letzten Erhebungen ein lediglich schleppendes bis gar kein Vorankommen bezüglich der Zielerreichung aus, wie es der Sustainable Development Report 2023 zeigt, sondern es ist auch notwendig, näher in den Blick zu nehmen, wie wir diese Ziele erreichen wollen und können.

Mit den IDGs zur Erreichung der SDGs

Die Erkenntnis, dass dazu besondere Fähigkeiten und Kompetenzen notwendig sind, hat zur Gründung der Initiative rund um die Inner Development Goals, kurz: IDGs, geführt, die 2020 ins Leben gerufen wurde. Derzeit besteht das Rahmenwerk der IDGs aus 23 verschiedenen Skills, die mit Hilfe internationaler Befragungen ermittelt wurden und in fünf verschiedenen Dimensionen (Sein, Denken, Beziehung, Zusammenarbeit, Handeln) zusammengefasst sind. Zu diesen Skills zählen neben Offenheit und Lernbereitschaft beispielsweise auch kritisches Denken, kommunikative Fähigkeiten sowie Kreativität und Beharrlichkeit. Beim letztjährigen IDG Summit in Stockholm (und online) im Oktober 2023 wurde jedoch kritisch von den Teilnehmenden hinterfragt, welche Stimmen zur Ermittlung der Skills eingefangen wurden und wer bis dahin noch nicht gehört worden war. Besonders wurde kritisiert, dass neben der fehlenden geografischen Repräsentativität, das Wissen und die Fähigkeiten Indigener noch keinen konkreten Niederschlag in der Entwicklung des Rahmenwerks gefunden hatten. Dies soll in der weiteren Entwicklung der IDGs Berücksichtigung finden.

Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Globale Ziele und lokale Herausforderungen

Kritisch betrachtet werden muss auch die Rolle von Digitalisierung und Digitalität, nicht nur in Bezug auf die Entwicklung und Schulung von inneren Fähigkeiten für eine Nachhaltige Entwicklung, sondern auch in Bezug auf die Erreichung der 17 Nachhaltigen Entwicklungsziele. Digitalisierung wird dabei nach Felix Stalder als »der Prozess der Überführung eines analogen Sachverhaltes in einen digitalen Sachverhalt« definiert, während Digitalität »das [ist], was entsteht, wenn der Prozess der Digitalisierung eine gewisse Tiefe bzw. eine gewisse Breite erreicht hat«. Im sogenannten Globalen Norden kann Digitalisierung beispielsweise zur Optimierung bestehender Prozesse und zur Reduzierung von Umweltbelastungen beitragen, etwa durch Online-Bildung oder effizientere Arbeitsmodelle, die Reisen reduzieren. Mit der rasanten Ausbreitung der Anwendung generativer künstlicher Intelligenz müssen diese (ökologischen und ökonomischen) Effizienzgewinne durch den Einsatz digitaler Alternativen in einigen Bereichen jedoch wohl bald wieder in Frage gestellt werden, da der Ressourcenverbrauch generativer KI ein Vielfaches einer einfachen Internetsuchanfrage beträgt.

Im sogenannten Globalen Süden stehen bei der Digitalisierung hingegen oft grundlegende Zugangsfragen im Vordergrund. Die Digitalisierung kann hier beispielsweise einen Beitrag dazu leisten, Bildungs- und Gesundheitsdienstleistungen in entlegenen Gebieten überhaupt erst verfügbar zu machen. Diese unterschiedlichen Schwerpunkte führen zu verschiedenen Nachhaltigkeitsansätzen, die sowohl globale als auch lokale Bedürfnisse berücksichtigen müssen und sich auch auf die Fähigkeiten, die IDGs, auswirken, die wir benötigen, um die SDGs und damit eine nachhaltige next society erreichen bzw. gemeinsam entwickeln zu können. Besonders deutlich wird dies beispielsweise bei der Fähigkeit »Integrative Denkweise und interkulturelle Kompetenz«, was der Dimension der Zusammenarbeit zugeordnet ist, aber auch bei »Perspektivischen Fähigkeiten« aus der Dimension des Denkens. Unterschiedliche Grade von Digitalisierung, Digitalität und Post-Digitalität müssen in dieser Betrachtung Berücksichtigung finden, so wie es die Autorin Nina Grünberger in ihrem Artikel »Postkolonial post-digital« aufgreift.

Und der Kulturbetrieb!?

Kreativ- und Kulturschaffende ebenso wie kulturpolitisch Tätige finden sich mittendrin in der komplexen Herausforderung, sich sowohl mit Digitalisierung und Digitalität als auch mit Nachhaltigkeit auseinandersetzen zu müssen. Dies geschieht aktuell sehr häufig – wie auch in dieser Blogbeitragsreihe #neue Relevanz – im Rahmen einer gemeinsamen Betrachtung. Die Auseinandersetzung mit den SDGs hat im Kulturbetrieb begonnen und es wird vermehrt überlegt, welchen Beitrag auch Kulturorganisationen zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten können. Digitalisierung kann hier – neben bereits genannten Effizienzgewinnen – auch dazu beitragen, Kunst und Kultur inklusiver, also sozial nachhaltiger zu machen. Dies kann die Nutzung digitaler Technologien und Entwicklungen zum Abbau von Barrieren sein. Dazu gehören beispielsweise Apps für Audiodeskriptionen für Menschen mit Sehbehinderungen, die flexible Verwendung von Untertiteln in verschiedenen Sprachen oder Streamingangebote, die das Publikum nutzen kann, dem es aus verschiedenen Gründen schwerfällt, eine Kultureinrichtung eigenständig aufzusuchen. Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, welche Barrieren die Digitalisierung im Zweifel auch aufbaut, dadurch, dass vielleicht nicht alle Teile des Zielpublikums einen Zugang dazu haben. Ebenso müssen ökologische (Stromverbrauch!) und ökonomische (Kosten!) Folgen mitbedacht werden. Der Umgang mit Zielkonflikten, die im Nachhaltigkeitskontext immer wieder neu entstehen und verhandelt werden müssen, führt uns zurück zu den Inner Development Goals, zu denen neben einem Bewusstsein für Komplexität auch eine integrative Denkweise und interkulturelle Kompetenz zählen. Und wer, wenn nicht Kreativ- und Kulturschaffende sind Meister*innen darin, Komplexes zu durchdringen, zu reduzieren, es (sinnlich) erfahrbar und verständlich zu machen? Auch können Mut, Kreativität, Optimismus und Beharrlichkeit – die vier Skills, die das IDG-Rahmenwerk in der Dimension »Handeln« zusammenfasst – quasi als implizite Jobbeschreibungen von in Kunst und Kultur Tätigen verstanden werden. Diese Fähigkeiten gilt es, gemeinsam mit dem Publikum in diversen kreativen Formaten auszubauen und für eine Transformation der Gesellschaft zu einer nachhaltigeren next society einzusetzen.


Annett Baumast arbeitet mit ihrem Büro baumast. kultur & nachhaltigkeit als selbständige Dozentin und Nachhaltigkeitsexpertin und war bis Dezember 2023 wissenschaftliche Mitarbeiterin und Postdoktorandin am Institut für Kultur- und Medienmanagement der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg.

Theater der Zukunft – eine Utopie

6. März 2024

Das Schmieden von Utopien erweist sich bei kulturpolitischen Zusammenkünften häufig als Motor für gesellschaftliche Prozesse, so auch im Februar 2024 am Stadttheater Gießen und an den Münchner Kammerspielen, den Austragungsorten des »2. Forums für Theater, Digitalisierung und Nachhaltigkeit«. Die von Maik Romberg, dem Leiter der Stabstelle Digitalisierung der Münchner Kammerspiele, und mir selbst kuratierten Veranstaltungen waren Inspiration für meine eigene Utopie für das Theater der Zukunft: Es ist ein Ort der Kollaboration(en) und der Partizipation. Ein Ort der Begegnung auf Augenhöhe. Eine kollektiv entworfene und in allen Belangen nachhaltige, dem Gemeinwohl verpflichtete Organisation. Im Theater entsteht eine »fluide« Form des kreativen Miteinanders, die sich der nahezu instantanen Technologien des World Wide Web proaktiv bedient und diese immer wieder geschickt unterläuft und hinterfragt. Es ist ein 24 Stunden geöffneter Ort, real und virtuell. Die Besucher*innen des Theaters der Zukunft sind gleichzeitig Gestalter*innen desselben.

Das Theater der Zukunft ist sicher kein Ort des Verzichts und Verlusts: Ein wirklich nachhaltiger und nicht mehr dem neoliberalen Paradigma verpflichteter Kulturort wird vielmehr einen beträchtlichen Gewinn an Lebensqualität mit sich bringen und dem existentiell notwendigen radikalen Umdenken hin zu einer Gesellschaft jenseits des zerstörerischen Wachstumsstrebens den dringend notwendigen Schub verleihen. Es geht darum, Wege zu einer neuen Aufklärung zu finden. Die Kunst der Zukunft ist demütig und humorvoll, kritisch und abstrakt und somit vielgestaltig. Sie ist emotional und fordert ein gänzlich neues, anderes Verhältnis der Menschen zur Mitwelt. Um dieses Theater zu ermöglichen, müssen sämtliche Türen und Fenster weit geöffnet werden, real und im übertragenen Sinne. Der Veränderungsbedarf in den Institutionen ist so groß, dass die einseitige Setzung von Prioritäten nicht zielführend ist. Wir müssen unsere Bubble(s) verlassen und mit offenen Augen und Ohren die großartigen Möglichkeiten erkennen, die in der Tat bereits vorhanden irgendwo im Schatten des falschen Lebens darauf warten, genutzt zu werden. Im Angesicht der drohenden Klimakatastrophe ist eine globale Perspektive jenseits tradierter Vorstellungen und Erwartungen gefordert.

Ein Blick in die Welt

Perspektiven aus dem globalen Süden können uns helfen, andere und gegebenenfalls sogar utopische Narrative zu entwickeln. Indigene australische Traumerzählungen sind ein zentraler Bestandteil der Kultur und des spirituellen Lebens der Ureinwohner*innen Australiens, die »Dreamtime«-Geschichten vermitteln wichtige kulturelle, moralische und soziale Lehren. Solche Geschichten können dazu dienen, Verhaltensweisen zu thematisieren, die als schädlich für die Gemeinschaft angesehen werden. Sie betonen oft die Bedeutung von Kooperation, Respekt und dem Gleichgewicht mit der natürlichen Welt.

Eine wesentliche Wahrheit, die sich in vielen indigenen Erzählungen und philosophischen Lehren weltweit widerspiegelt, beschreibt die Idee, dass wir eine symbiotische Einheit mit unserer Mitwelt bilden. Dies ist ein zentraler Gedanke, der uns lehren sollte, respektvoll und nachhaltig mit unserer Mitwelt und ausnahmslos allen darin lebenden Wesen umzugehen. Indem wir den Fokus von einem »Ich bin besser als Du«-Modus, wie Tyson Yunkaporta es in seinem Buch »Sand Talk« nennt, zu einem kooperativen und integrativen Ansatz verschieben, können wir Wege finden, die aktuellen ökologischen, sozialen und ökonomischen Herausforderungen effektiv anzugehen. Diese Transformation erfordert ein Umdenken in vielen Bereichen unseres Lebens und Arbeitens. Um einen Einblick in ein sehr interessantes, institutionelles Beispiel für praktizierte Kollaborationen auf Augenhöhe und ein respektvolles Miteinander zu bekommen, lohnt sich ein Blick auf das »Kulturforum Witten«.

Die erschöpfte Gesellschaft

»Die scheinbar überbordenden gesellschaftlichen Herausforderungen wären Grund genug, dass wir uns einstimmen, aber auch eingestimmt werden darauf, unsere Daseinsbewältigung durch Anpacken und Verändern anzugehen. Aber wie soll eine Gesellschaft, die sich als von Veränderungen erschöpft geriert, Neues generieren können? Ich ende also mit Skepsis, aber mein letztes Wort soll heißen: trotzdem!«

Prof. Dr. Reinhard Pfriem beim 2. Forum für Theater, Digitale Transformation und Nachhaltigkeit

Den Zustand unserer Gesellschaft und die Herausforderungen, die damit einhergehen, gilt es demnach weiterhin genau zu betrachten und dabei Handlungsmöglichkeiten auszuloten: Der vorherrschende, bereits erwähnte »Ich bin besser als du«-Modus führt zu Vereinsamung und permanentem Stress, der, wie Dirk Baecker bereits 1994 beschreibt, die Kommunikation verunmöglicht, wo sie am dringendsten gebraucht wird. Unser Bestreben, noch ein wenig hoffnungsfroh in die Zukunft schauen zu können, weicht zunehmend einer traurigen, resignierten Grundstimmung innerhalb der Gesellschaft und macht es den Rattenfängern leichter ihre unsäglichen Parolen an die Menschen zu bringen. Wir brauchen mehr offenen Dialog und Diskurs im direkten, persönlichen Kontakt mit den Menschen. Wir benötigen noch mehr vernetzte Strukturen, die das Gemeinwohl stets im Blick haben. Ein radikales Umsteuern zu nachhaltigem Handeln in allen Bereichen unserer Gesellschaft ist geboten. Die Digitalisierung kann und sollte uns hier weiterführende Werkzeuge liefern.

Vergessene Vision: Ein Blick zurück nach vorn

Das »Projekt Cybersyn« war ein ambitioniertes Vorhaben der chilenischen Regierung unter Salvador Allende in den frühen 1970er Jahren, das darauf abzielte, mithilfe von Technologie die Wirtschaft und im Verlauf auch weitere Bereiche der Gesellschaft des Landes mittels demokratischer Steuerung zu optimieren. Unter der Leitung des britischen Kybernetikers Stafford Beer sollte ein Netzwerk aus Computern, Software und Kommunikationsinfrastruktur geschaffen werden, um Echtzeitdaten aus Betrieben zu sammeln, zu verarbeiten und darauf basierend Entscheidungen zu treffen. Allende verfolgte die Vision eines demokratischen Sozialismus. Nach dem blutigen Militärputsch 1973 und der Ermordung Allendes wurde das Projekt eingestellt. In einer vorurteilsfreien Analyse kann die Relevanz von Cybersyn für die heutigen Diskussionen über Digitalisierung und Nachhaltigkeit aus mehreren Perspektiven beleuchtet werden: Zentral oder dezentral? Eine Frage, die auch für Kulturbetriebe – und hierbei nicht nur in Bezug auf die Digitalisierung von Beständen – hohe Dringlichkeit hat: Die »Just In Time«- und »Mehr ist Mehr«-Mentalität, die sich spätestens seit den 1990er Jahre auch fest in die ansonsten weitgehend aus dem 19. Jahrhundert stammenden Organisationsstrukturen unserer Stadt- und Staatstheater als vermeintliche Innovation eingebrannt hat, ist immer noch »Standard«, trotz der zahlreichen lobenswerten Initiativen in puncto neuer nachhaltiger Praktiken. Das Projekt Cybersyn war ein Versuch, Bedarfe zentral zu steuern. Es basierte auf dem Prinzip der Echtzeit-Rückkopplung, was heute eine allgemein verfügbare Technologie ist, die unter anderem beim Ermitteln von Klimadaten und daraus folgenden spontanen Reaktionen und Entscheidungsfindungen auf höchster Ebene, beispielsweise im Fall von Unwetterkatastrophen, lebensrettend sein kann. Heutige Ansätze tendieren eher zu dezentralisierten Netzwerken, in denen Entscheidungen näher an der Datenquelle getroffen werden. Dezentralisierte Systeme können resilienter und noch anpassungsfähiger sein, was für nachhaltige Entwicklungsziele von Vorteil ist. Cybersyn war seiner Zeit voraus und stieß daher auf technologische Grenzen.

Perspektiven für ein gelungenes Zusammenspiel der beiden großen Transformationen

»Digitalisierung schafft ein nachhaltiges Mindset. In Unternehmen, die in Sachen Digitalisierung bereits vorangeschritten sind, hat auch Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert.«

Dr. Josephine Hofmann, Claudia Ricci, Christiane Kleinewefers, Adriana Laurenzano
(Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO) (2023: S. 19)

Heute stehen uns fortschrittliche Technologien und Strategien wie KI, Big Data, IoT, Cloud Computing und nicht zu vergessen die Open Source Community zur Verfügung, die die Gedanken hinter Cybersyn realisierbar machen können und dabei helfen, Ressourcen effizienter zu nutzen und Entscheidungsprozesse in Hinblick auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit zu optimieren.

Ein Ziel des historischen Projektes in Chile war es bereits, die Bevölkerung direkt in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen und eine gerechte Wirtschaftssteuerung zu ermöglichen. Risiken wie Überwachung, Kontrolle und Ungleichbehandlung waren auch den damaligen Entwickler*innen bekannt. Wer kontrolliert die Technologien, wer profitiert davon und wie wird Macht verteilt? In den Kulturbetrieben können und sollten wir, vielleicht inspiriert von den visionären Ideen des geschilderten Projekts Testlabore aufbauen und mit den großartigen Möglichkeiten heutiger Digitaltechnik verschiedenste Zukunftsmodelle in Sachen nachhaltige Planung und Steuerung durchspielen. Wir können vorhandene Technologien in unserem kreativen Umfeld radikal umwidmen und künstlerisch zweckentfremden. Wir können kleine Open Source -KI-Modelle selbst trainieren. Wir könnten uns durch eine richtig verstandene Vernetzung und Zusammenarbeit den Datenkrallen der globalen Tech-Riesen entziehen. Das Netzwerk eröffnet uns die Möglichkeit Ungewissheiten zu denken. Dies alles ist machbar und wird in kleinen Initiativen und Gruppierungen bereits gemacht, wie auf unserem Forum gezeigt wurde[1]. Nachhaltige Digitalisierung muss zwingend soziale Aspekte wie Fairness, Transparenz und Inklusion berücksichtigen. In diesem Sinne entstehen bundes- und weltweit Projekte, die uns inspirieren können, partizipative und transparente Systeme zu entwickeln, die sowohl ökologische als auch soziale Nachhaltigkeit fördern.

Utopien entwerfen

Wir müssen die Fähigkeit, gegensätzliche Ideen oder Standpunkte zu erkennen und sie in einem neuen, umfassenderen Zusammenhang zu vereinen, neu erwerben. Dieser Prozess ermöglicht es, scheinbar widersprüchliche Konzepte zu integrieren und eine höhere Ebene der Erkenntnis oder Lösung zu erreichen, indem man die Vielfalt der Perspektiven berücksichtigt und sie in einer umfassenderen Synthese zusammenführt. So kann man die Komplexität der grundlegenden Veränderungen soziotechnischer Systeme, die die Digitalisierung und die Transformation zur Nachhaltigkeit mit sich bringen, erkennen, beschreiben und dabei deren dynamische Natur berücksichtigen. Dieser 360-Grad-Blick findet sich auch im chinesischen I GING, dem »Buch der Wandlungen«, dessen Wurzeln bis ins 3. Jahrtausend v. Chr. zurückreichen. Die Anwendung derlei dialektischer Methode(n) verhilft uns zu einem umfassenderen Verständnis und möglicherweise zu neuen Lösungsweisen. Zudem lernen wir wieder anständig miteinander umzugehen und das kreative und lustvolle Schmieden von Utopien, wie oben erwähnt, ist hoffentlich keine Seltenheit mehr.


[1]      Ein Beispiel dafür ist die 2013 gegründete Performancegruppe Artes Mobiles, die Grenzen zwischen Kunst, Theater und Technik zukunftsweisend aufzubrechen sucht und von der Regisseurin Nina Stemberger und dem Medienkünstler Birk Schmithüsen beim »2. Forum für Theater, Digitale Transformation und Nachhaltigkeit« in Gießen vorgestellt wurde: www.artesmobiles.art.

Autor

Patrick Schimanski ist Komponist, Regisseur, Klangkünstler, Dramaturg und Performer. Er arbeitet bundesweit und international sowohl in der Freien Szene als auch an Stadt- und Staatstheatern und beschäftigt sich seit vielen Jahren intensiv mit den Themen Nachhaltigkeit und Digitalität. Aktuell ist er als »Leiter Digitale Prozesse« und des »Forum Nachhaltigkeit« am Stadttheater Gießen. Er ist zudem Klimabeauftragter des Hauses im Zusammenhang mit einer Förderung durch die Kulturstiftung des Bundes im Projekt »Fonds Zero«.

»The best way to predict the future is to create it«

5. Februar 2024

Die Next Society wird nicht nur auf die Einführung des Computers reagieren, sondern auch auf die Entstehung einer neuen Weltordnung.

Auf einmal wollten alle fit für die Zukunft sein, damals, Mitte der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Weg mit den Ärmelschonern in den Amtsstuben und der umständlichen Bürokratie in den Kommunen. Die Stadt als Unternehmen, das war die neue Vorstellung in den Köpfen, Public-Private Partnership, der Markt kann alles besser, und deshalb wurden nicht nur Stadtwerke und Krankenhäuser, sondern auch Hunderttausende von Wohnungen an private Unternehmen verkauft und die Freiflächen in den Städten noch dazu. Heute ist die Wohnungsfrage wahrscheinlich das größte soziale Problem in unserem Land; die öffentliche Hand hat ihren Einfluss aus der Hand gegeben und ist weitgehend machtlos. Die Globalisierung der Immobilienmärkte trägt wesentlich bei zu der extremen Kluft zwischen Reich und Arm, die wir heute beklagen. Diese Entwicklung wäre so nicht möglich gewesen ohne einen aktiv betriebenen kulturellen Wandel in den Köpfen – die Verschiebung unseres Wertesystems vom Wohlfahrtsstaat zum neoliberalen Denken. Die Politik war vollauf damit beschäftigt, sich für die Zukunft fit zu machen, anstatt die Zukunft selber zu gestalten. So hat sie die Situation, unter der wir jetzt leiden, selber mit zu verantworten.

Derzeit ist wieder viel die Rede von der Zukunft und der Gesellschaft, die sie hervorbringen wird, die Next Society. Folgt man Peter F. Drucker, der den Begriff geprägt hat, dann ist die Next Society »die Gesellschaft, die auf die Einführung des Computers zu reagieren beginnt« (Dirk Baecker, Studien zur nächsten Gesellschaft, Suhrkamp 2007, S. 8). Sie wird sich deshalb „in allen ihren Formen der Verarbeitung von Sinn, in ihren Institutionen, ihren Theorien, ihren Ideologien und ihren Problemen, von der modernen Gesellschaft unterscheiden“. Wie aber will man sich auf eine Zukunft vorbereiten, die sich von allem unterscheidet, was man kennt? Peter F. Drucker selber weist den Weg: The best way to predict the future is to create it. Ein sehr guter Rat; er taugt auch als Anregung für die Kulturpolitik, die ja auch Gesellschaftspolitik ist und den kulturellen Wandel im Auge hat: sich nicht nur fit für die Zukunft zu machen, sondern diese aktiv mitzugestalten. 

Neue Horizonte in der Next Society

Die Debatte über die Next Society im Zeichen der Digitalität wird besonders intensiv in der Welt der Unternehmen geführt; wie stellt man sich für die Aufgaben und Chancen der Zukunft am besten auf? Es geht um neue Formen des Managements, Agieren in Netzwerken, Innovationsfähigkeit, vor allem Beweglichkeit und Offenheit für neue Spielregeln, für den Aufbruch ins Unbekannte. Auch die Kultureinrichtungen beginnen ihre Arbeitsweisen zu überprüfen und im Sinne der Digitalität neu auszurichten, insbesondere im Zusammenhang mit den Forderungen nach Nachhaltigkeit, Transformation, Resilienz. Und die Kulturschaffenden tasten sich auf kreative Weise an die faszinierenden Möglichkeiten heran, wie sich die Welt mit digitalen Mitteln neu wahrnehmen und neu darstellen lässt, auf dem Weg zu einer Ästhetik der Zukunft. Neue Horizonte öffnen sich, alles scheint möglich, auch eine intensivere Vernetzung und Verständigung zwischen den Kulturen rund um den Globus. Selbst der Brückenschlag zu nicht-menschlichen Lebensformen ist nicht mehr ausgeschlossen.

Die Entstehung einer neuen Weltordnung

Auf der globalen Ebene vollziehen sich derzeit ähnlich grundstürzende Veränderungen. Wir leben in einer aufgewühlten und zutiefst verwirrenden Zeit, die vertrauten Koordinaten kommen ins Rutschen. Es schält sich eine neue Weltordnung heraus, die noch nicht klar in den Konturen ist, aber mit Sicherheit eine multipolare sein wird. Die Vorstellung von starren, auch hierarchischen Blöcken – Ost-West, Nord-Süd – könnte vom Bild des Netzwerks abgelöst werden: Die Staaten und Gesellschaften, die den Globus umspannen, sind auf unterschiedliche und vielfältige Weise miteinander verflochten; was sie eint, ist die geteilte Gefahr von Klimawandel und Umweltzerstörung, die Sorge um das Überleben der Menschheit. Die Erde als Schicksalsgemeinschaft.

Die Next Society wird also nicht nur auf die Einführung des Computers reagieren, sondern auch auf die Entstehung einer neuen Weltordnung, also etwa auf die veränderte Rolle des sogenannten »Westens«. Die Dominanz des »Westens« und seiner Kultur beginnt sichtlich zu bröckeln. Die Demokratie als Staatsform und Vorbild hat in vielen Gegenden der Welt Glanz und Überzeugungskraft verloren; im Blick auf Kolonialherrschaft, Rassismus und Umweltzerstörung wirken die »westlichen Werte« schal und werden in vielen Teilen der Welt nicht mehr respektiert. Dies bedeutet nicht nur einen Verlust an politischer und wirtschaftlicher Macht, sondern auch eine schmerzhafte Trübung des Selbstbildes auch in unserem Land. Unsere Art, Leben und Gemeinschaft zu organisieren, scheint nicht mehr die einzig wahre zu sein und keineswegs überall erwünscht. Wir werden unsere Geschichte mit neuen Augen sehen und unsere Rolle in der Welt neu bestimmen müssen. Auch die auf Beherrschung ausgerichtete Haltung der »westlichen« Kultur gegenüber Natur und Umwelt, die jetzt in ihren zerstörerischen Auswirkungen offen zutage tritt, gilt es neu zu bewerten. Indigenes Wissen ist dem unseren in mancher Hinsicht überlegen. Wir können uns heute nicht mehr selbstverständlich als Krone der Schöpfung fühlen und stehen vor der Aufgabe – ganz im Sinne der UNESCO-Erklärung zur Kulturellen Vielfalt –, im Austausch mit anderen Kulturen unsere Identität und Haltung zur Natur kreativ zu erneuern. Das ist eine enorme Herausforderung für die Kulturpolitik, gerade angesichts des Rechtsrucks in den »westlichen» Gesellschaften, der möglicherweise auch auf den oben beschriebenen Selbstwertverlust zurückzuführen ist. Was, wenn die Next Society faschistische Züge annehmen würde, mit all den Machtmitteln, die die Digitalisierung bietet? Der Verlust der Privatheit, eine Begleiterscheinung der Digitalität, die wir bislang nur wenig thematisieren, könnte dann katastrophale Folgen haben. Würde Künstliche Intelligenz unser Gefühl für Realität untergraben, wäre die Gesellschaft jeder Manipulation hilflos ausgeliefert.  

Der Faktor Macht in der Next Society

Bei der Betrachtung des kulturellen Wandels auf dem Weg in die Next Society sollte die Kulturpolitik – neben ihren Aufgaben bei der Mitgestaltung des neuen Weltbilds – also auch den Preis im Auge haben, den sie möglicherweise für die Segnungen der Digitalität bezahlt. Werden die Werte, die sie bisher vor sich hergetragen hat – Demokratie, Gemeinwohl, Souveränität des Individuums und immer dringlicher Nachhaltigkeit – in Zukunft noch gelten? Und vor allem: wie ist das mit dem Faktor Macht in der Next Society?

Im Januar 2024 brachte die Wirtschaftswoche die aktuelle Forbes-Liste der zehn reichsten Menschen der Welt. Das sind alles Männer, und fast alle beziehen ihren Reichtum aus der Privatisierung unserer Daten. Sie sind es, die die digitale Welt kontrollieren. Mit ihren Unternehmen beeinflussen sie unsere Kultur, unsere Werte und Narrative bis in den letzten privaten Winkel. Sie üben Macht über weite Teile der Gesellschaft aus und vergrößern die Kluft zwischen Arm und Reich noch einmal stetig und in frivolem Ausmaß. Was in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts die Aneignung von Grund und Boden und öffentlichen Einrichtungen war, das ist jetzt die Verfügung über die Köpfe der Menschen selbst. Die ohnmächtig wirkenden Bemühungen der Politik um eine Regulierung von Künstlicher Intelligenz zeigen dies beispielhaft. Schon gibt es Befürchtungen, es könnte nicht mehr gelingen, transparente demokratische Wahlen durchzuführen. Und das Ende der Privatheit, der persönlichen Souveränität, scheint mehr oder weniger besiegelt. Niemand weiß, wie die Zukunft aussehen wird. Aber wenn die Kulturpolitik den Anspruch aufrechterhalten will, sie mitzugestalten, dann muss sie sich der Tatsache stellen, dass wir uns – privat und als Gesellschaft – durch die Digitalisierung in eine schicksalhafte Abhängigkeit begeben. Bei aller Ungewissheit scheint eines zumindest plausibel: Es kann keine gute Idee sein, einer Handvoll superreicher Männer die Gestaltung der Next Society zu überlassen.

Eva Leipprand führt ein Leben zwischen Literatur und Politik. Sie war Kulturbürgermeisterin in Augsburg, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Kultur der Grünen, Mitglied im Bundesvorstand der Kulturpolitischen Gesellschaft und Vorsitzende des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Sie ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland. Ihr Schwerpunktthema ist Kultur und Nachhaltigkeit.

Transformation und Kulturelle Bildung #digital #nachhaltig

18. Januar 2024

Die 2020er-Jahre stehen im Zeichen der Transformation: Übergänge in die »Twin Transition« oder »Next Society« beschreiben kulturpolitische Gestaltungsvisionen, in denen die Zukunftsaufgaben Digitalität und Nachhaltigkeit Hand in Hand verlaufen. Was bedeutet das für den Kultursektor? Welche Kompetenzen brauchen wir? Und welche Rolle kann die Kulturelle Bildung dabei spielen?

Naturkatastrophen, Pandemie, Krisen und Krieg werden europäische Realität und erschüttern unser Verständnis von Normalität. Zwischen Schock und Sorge wecken Krisenzeiten gleichermaßen ein neues Problembewusstsein sowie den Wunsch, Zukunft aktiver zu gestalten. Wurden die großen Zukunftsaufgaben, digitaler Wandel und Transformation zu einer ökologisch-nachhaltigen Gesellschaft, zunächst noch separat, als unabhängige Entwicklungen, betrachtet, so wird inzwischen der Ruf nach einer systemischen Perspektive laut: »Twin Transition« nennen die Vereinten Nationen und die Europäische Union diese Transformationsoffensive mit dem Ziel, Lösungsansätze künftig wechselseitiger zu betrachten und stärker aufeinander abzustimmen. Es geht um eine Vision, die das große Ganze in den Blick nimmt.

»Twin Transition« im Kultursektor: Synergieeffekte & Zielkonflikte

Digitale Innovationen können in vielen Bereichen gezielt zur Lösung von Nachhaltigkeits-Herausforderungen eingesetzt werden, indem sie Daten als Schlüsselressource nutzen: Instrumente für Monitorings, Analysen, Matchings, Mappings, Simulationen, Prognosen oder Kollaborationen vermehren Wissens-, Kommunikations- und Handlungsmöglichkeiten gravierend. Damit liefert die »Digitalisierung« – in ihrer technisch-funktionalen Lesart verstanden – einen innovativen Werkzeugkasten zur Steigerung von Effizienz, Konsistenz und Suffizienz in Kultureinrichtungen. Die »Digitalität« – verstanden als gesellschaftliche Lesart der Transformation – bringt wiederum neue, kulturelle Praktiken, Formen des Miteinanders, Wissens, Teilens und Erzählens hervor, die uns bei der Gestaltung einer Nachhaltigkeitskultur unterstützen können.


Zielkonflikte treten besonders im Spannungsverhältnis von »Lang- vs. Kurzlebigkeit« und »Weniger vs. Mehr« zutage: Entgegen dem Suffizienz-Gedanken der Nachhaltigkeit unterliegt die digitale Transformation einer rasanten Wachstumslogik. Auch wenn sie mit dem Versprechen von Dezentralisierung und Entmaterialisierung einhergeht, ist die materielle Basis von Bits und Bytes problematisch. Hinter den scheinbar schwerelos in der Cloud schwebenden Angeboten verbergen sich stromintensive Netzwerkinfrastrukturen, die sich noch immer überwiegend aus fossilen Energien speisen. Gegenwärtige KI-Entwicklungen lassen nur erahnen, welche technologiegestützten Wege wir künftig beschreiten werden. Es stellen sich Fragen nach neuer Verantwortung bezüglich digitaler Infrastrukturen, Konsummustern, Machtstrukturen, Inhalten und Kommunikationsformen, die im Ordnungsrahmen der globalen Nachhaltigkeitsziele zu verhandeln sind.

Das Projekt »Digitalität als neuer Treiber einer Kultur der Nachhaltigkeit« der Kulturpolitischen Gesellschaft formulierte den dringenden Auftrag an den Kultursektor, diese Prozesse »auf seinem Weg in eine Next Society« strategisch zusammenzuführen, um zukunftsfähige Wege für eine globale Nachhaltigkeitsagenda im (post-)digitalen Zeitalter zu beschreiten. Fakt ist jedoch: Die Angelegenheit ist komplex, die Zukunft ungewiss und die Lösung(en) für »wicked problems« in unserer »VUCA-Welt« uneindeutig. Was braucht’s also?

Transformationskompetenzen als Voraussetzung

Es wird um neue Formen der »Wahrnehmung« und der »Gestaltung« gehen, konstatiert Christoph Deeg im ersten »Next Society-Future Talk«. Transformation im Außen braucht Transformation im Innern. In der Transformationsforschung wird die »Innere Transformation« als ein zentraler Hebelpunkt (»Deep Leverage Point«) behandelt. Neben dem spezifischen Fach- und Transformationswissen gilt es also, fachübergeifende Transformationskompetenzen zu stärken. Als Fähigkeiten, Denkweisen und Haltungen, die es ermöglichen, konstruktiv, vorausschauend und selbstwirksam in Veränderungsprozessen zu agieren, umfassen sie – je nach Kontext z.B.: Adaptabilität, Kreativität, Resilienz, Selbstreflexion, Empathie, Ambiguitätstoleranz, Vorstellungsvermögen, Kommunikationsfähigkeiten, die Bereitschaft zur Zusammenarbeit oder systemisches Denken.

Es muss also ein essentieller Baustein sein, strategische Weichenstellungen im Bereich (Fort-/Weiter-)Bildung zur »Qualifizierung kultureller Infrastrukturen im Hinblick auf Transformationskompetenzen« vorzunehmen, wie auch Henning Mohr es in »Digitalität als neuer Treiber einer Kultur der Nachhaltigkeit« (S. 73) fordert. Wir alle dürfen uns in diesem Zusammenhang als lebenslang Lernende begreifen, die sich immer wieder neu ins Verhältnis zu ihrer ständig verändernden Welt setzen (müssen). Diese Fähigkeiten können, anders als Wissen, nicht diskursiv angelesen werden, sondern erfordern praktische Anwendungs- und Experimentierfelder. In dem Kontext bricht Dr. Hilke Marit Berger in ihrem Blogbeitrag eine Lanze für die transformative Kraft der Künste und macht sich für eine »Gestaltende Verantwortung« als gesellschaftliche Notwendigkeit stark, denn »[i]m Entwerfen der Zukunft entsteht Zukunft eben auch ein Stück weit.«

Transformation & Kulturelle Bildung

Beschrieben werden transformative Bildungspotenziale, die im gestalterischen Zusammenspiel von Kunst, Digitalität und Nachhaltigkeit entstehen können. Diesen Faden weiterspinnend soll hier die besondere Rolle der Kulturellen Bildung, als das vermittelnde und pädagogische sowie ästhetisch-bildungstheoretische und -praktische Feld des Kultursektors, hervorgehoben werden. Sie umfasst die breiten Felder formaler, non-formaler und informeller Bildung, für Kinder und Jugendliche sowie für Erwachsene, und befähigt diese, sich mit Ausdrucksformen der Kunst und Kultur zu sich selbst und zu der sie umgebenden Welt zu verhalten.

Angebote Kultureller Bildung sind gewissermaßen die Einladung an alle, in Resonanz mit den Künsten zu treten, sie als Ausdrucksmöglichkeit zu erkennen und mittels ästhetischer Praktiken in einen Dialog mit sich selbst und der Welt zu gehen. Es entstehen Prozesse des sinnstiftenden (Ein-)ordnens. In ihren Räumen kann eine interessenorientierte Gestaltungspraxis in der eigenen Lebenswelt entwickelt und als selbstwirksam wahrgenommen werden – sich selbst als »erfinderisch […] zu erleben, fördert den Mut, sich neuen Herausforderungen zu stellen. Kulturelle Bildungstärkt das Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten.« Ausgehend von einer selbstwirksamen Gestaltungspraxis auf der persönlichkeitsbildenden Ebene entstehen Chancen für gestaltende Teilhabe auf gesellschaftlicher Ebene.

Im Artikel »Kulturelle Bildung und gesellschaftliche Transformation. Eine Zustandsbeschreibung« zeigt Prof. Dr. Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss sowohl bildungstheoretische wie auch -praktische Potenziale der Kulturellen Bildung auf, »um sich als Subjekt in einer Gesellschaft, die derzeit einen massiven Transformationsdruck spürt, zu orientieren und zur Transformation gestaltend beizutragen.« Die ästhetische Auseinandersetzung bietet besondere Möglichkeiten für transformatorische Bildungsprozesse, »da es häufig nicht-sprachliche Formen sind, die diesen Erfahrungen zugrunde liegen und die leiblich vermittelt eine besondere Kraft entfalten können.«[1] In ihrer offenen Grundhaltung kann sie uns dazu befähigen den Umgang mit Heterogenität und Unschärfe zu üben und neue Perspektiven auf (Um-)Welten zu entwickeln.

Hat Kulturelle Bildung den Anspruch, Bildung für Zukunft zu sein, so formuliert sie wiederum auch den Auftrag an ihre Träger*innen, sich immer wieder neu mit den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung und den Neukonfigurationen einer (post-)digitalen Lebenswelt in Einklang zu bringen und zu prüfen, inwiefern ihre Diskurse, Programmatiken und Praktiken die Teilhabe- und Gestaltungsversprechen für kommende Generationen tatsächlich fördern. Ebenso kann sie untersuchen, welche neuen Bildungsräume an den Schnittstellen zu Digitaler Bildung, Medienpädagogik, Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), politischer Bildung, Globalem Lernen, »Futures Literacy« oder etwa Design-Praxen (Transformation Design, Design Futuring, Speculative Design, etc.) entstehen. So kann die Kulturelle Bildung Räume eröffnen, um einen kreativ-künstlerischen und zugleich diskursiv-kritischen Zugang zu Transformationsthemen zu ermöglichen und eine gestaltende Auseinandersetzung des Subjekts anzuregen.

Fazit

Es mag auf den ersten Blick zaghaft, abstrakt oder vielleicht sogar pathetisch erscheinen, bei den Anforderungen an eine »Next Society« über Potenziale sinnlicher (Selbst-)Bildungsprozesse nachzudenken. Angesichts drängender Problemlagen bieten diese kein schnelles Rezept. Dahinter steckt die Überzeugung, dass Transformation, anders als Veränderung, eine fundamentale Neukonfiguration unserer selbst verlangt – eine Kalibrierung hinsichtlich unserer Wahrnehmungsfähigkeiten und Gestaltungsmöglichkeiten, einen Mindshift.

Kulturpolitik – als Gesellschaftspolitik – hat die Aufgabe, Samen für langfristige, transformative Bewegungen zu säen, wenn sie den komplexen Fragen unserer Zeit gerecht werden und die Weichen für einen zukunftsfähigen Kultursektor stellen möchte. Es braucht neue Kompetenzen. Die Stärkung und zeitgemäße Weiterentwicklung unserer eigenen, kulturellen Bildungspraxen, kann uns dabei, im Sinne einer lebhaften und lebenslangen Bildungskultur, als ein weiterer Baustein helfen – im Umgang mit Kultur und den Künsten – diese Kompetenzen auszubilden, alternative Zukünfte zu entwerfen und dem uneindeutigen Morgen mit einer neugierigen, selbstreflexiven, -wirksamen und gestaltenden Haltung zu begegnen. Die Künste berühren uns, irritieren uns und fordern uns heraus, disruptiv zu denken.

Die sich aufdrängende Komplexität der nächsten Jahre fragt nach einem Durchbrechen von Pfadabhängigkeiten und Silos, einem offenen, ganzheitlichen Blick, nach Mut und Experiment, um Synergien der »Twin Transition« zu stärken und einen Umgang mit Zielkonflikten zu finden. Die Kulturelle Bildung, als transformative Bildung, kann eine sinnhafte und produktive Rolle in der kulturpolitischen Vision und Gestaltung einer »Next Society« spielen.


[1] Das dazugehörige Dossier, auf das vertiefend hingewiesen sei, widmete sich zuletzt strukturellen Transformationsfragen und den Potenzialen Kultureller Bildung hinsichtlich der Entwicklung von Wahrnehmungsfähigkeiten und Gestaltungsmöglichkeiten.

Foto: Philipp Rösler

Julia Valerie Zalewski, geboren 1995,  ist Kunst-/Medienwissenschaftlerin (HBK/TU Braunschweig), »Transformationsmanagerin Nachhaltige Kultur« (Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit) und studiert »Kulturvermittlung, Kulturpolitik und Transformation im Kontext der Künste« (Uni Hildesheim). 2021/22 war sie als Projektreferentin für die »dive in«-Qualifizierung an der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel tätig. Seit 2023 betreut sie dort die »SIN-Beratung. Start in die Nachhaltigkeit für Kulturinstitutionen«.